Verseuchtes Trinkwasser in Iqaluit verursacht Krise | Polarjournal
Die rund 7’800 Einwohner von Iqaluit, der Hauptstadt des Territoriums Nunavut, erhalten ihr Trinkwasser normalerweise aus einem See oberhalb der Stadt. Doch seit Anfang Oktober beklagten Einwohner einen ungewöhnlichen Benzingeruch im Wasser. Nun wurden Petroleumproduktrückstände entdeckt. Bild: C. Soloviev via Wiki Commons

Das Leben in arktischen Regionen ist nicht einfach, besonders wenn es um die Versorgung der Einwohner in den Gemeinden geht. Denn die grossen Distanzen und die klimatischen und geographischen Bedingungen stellen eine echte Herausforderung in Sachen Logistik dar. Wenn dann auch noch die Trinkwasserversorgung, die normalerweise vor Ort gesichert ist, ausfällt, und der Winter vor der Tür steht, wird das Ganze zu einer Herkulesaufgabe. Dieser sieht sich Iqaluit, Nunavut’s Hauptstadt seit mehr als einer Woche gegenüber. Denn ihr Trinkwasser ist mit Treibstoff verseucht.

Woher die Verseuchung des Wassers stammt, ist nicht geklärt. Untersuchungen der lokalen Behörden und von Experten haben nach heutigem Stand des Wissens (21. Oktober) keine Resultate geliefert. Die Reinigung der Versorgungsanlagen, die eigentlich via Durchspülen der Rohre diese Woche hätte stattfinden sollen, wurde auf nächste Woche verschoben. Die Behörden der Gemeinde wollen am kommenden Montag über den weiteren Verlauf informieren, wie in einer Pressemitteilung steht. Zwar haben die Behörden und Experten angegeben, dass keine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit von Menschen, die bereits Wasser getrunken hatten, bestehe. Trotzdem wird weiterhin davon abgeraten, das Wasser aus den Leitungen zu konsumieren.

Ab dem 12. Oktober wurde die Bevölkerung aufgerufen, das Wasser aus den Hähnen nicht mehr zu trinken und man begann, Wasser via Flaschen und durch Tankwagen an die Einwohner abzugeben.

Bereits Anfang Oktober gingen bei den Behörden Meldungen ein, dass das Trinkwasser einen «eigenartigen, treibstoffähnlichen» Geruch aufweise. Via soziale Medien beklagten sich Einwohner auch über Kopfschmerzen und Schwindelanfälle nach dem Wasserkonsum. Doch Qualitätsmessungen der Stadtbehörden zeigten keine Hinweise auf eine Verschmutzung. Bürgermeister Kenny Bell gab damals Entwarnung. Doch die Klagen nahmen weiter zu und eine Woche später wurden starke Gerüche aus den Tanks, in denen die Chemikalien für die Wasseraufbereitung gelagert wurden, festgestellt.

Eine Warnung, das Wasser aus den Leitungen nicht mehr zu konsumieren, wurde ausgegeben und über die Stadt wurde der Notstand verhängt. Wasser wurde mit Tankwagen aus umliegenden Flüssen gepumpt und verteilt, Wasserflaschen wurden aus dem Süden hochgeflogen. In den sozialen Medien wurden zahlreiche Bilder und Videos veröffentlicht, die zeigten, wie überall Menschen darauf warteten, Wasser zu erhalten. Einwohner, die sich nicht in die Warteschlangen an den Verteilzentren einreihen wollten, holten sich ihr Wasser aus den Flüssen Apex und Sylvia Grinnell. Wie lange diese Krise andauern wird, ist zurzeit noch nicht klar.

PolarJournal hatte die Gelegenheit, mit Dr. Corine Wood-Donnelly, die zurzeit im Rahmen eines Forschungsprojektes in Iqaluit lebt, zu sprechen. Sie meint, dass die Situation zu Beginn angespannt war, da kaum jemand genügend Behälter für den Wassertransport hatte. Doch mittlerweile habe man die Wasserabholung in seinen Tagesrhythmus eingebaut. Doch mit den weiter sinkenden Temperaturen könnte sich das Ganze verschärfen, da die beiden Flüsse, von denen das Trinkwasser geholt wird, langsam zufrieren. „Dies dürfte sich zu einem Problem entwickeln, wenn die Krise länger dauern könnte.“

Iqaluit liegt an der Frobisher Bay in Nunavut. In der Umgebung der Stadt liegen einige Süsswasserseen und der Sylvia Grinnell-Fluss (links). Das meiste Trinkwasser stammt aber aus dem Geraldine-See. Karte: Michael Wenger via Google Earth

Iqaluit kämpft schon seit Jahren mit Wasserversorgungsproblemen. Denn die Infrastruktur kommt an ihre Kapazitätsgrenzen aufgrund des Bevölkerungszuwachses in den vergangenen Jahren. Letztes Jahr war beschlossen worden, Massnahmen zur Sicherung der Wasserversorgung auszudehnen und umliegende Seen als mögliche Wasserquellen zu bewerten. Obwohl in der Umgebung zahlreiche kleine und grössere Seen und auch Flüsse wie der Sylvia Grinnell River liegen, ist die Versorgung nicht so einfach. Die Wasserqualität muss den Standard genügen, um als Trinkwasser deklariert werden zu können. Dies wird zurzeit durch die Zugabe von Chlor bewerkstelligt. In der gegenwärtigen Situation wurden die Einwohner aufgefordert, das ausgehändigte Wasser vor dem Konsum abzukochen. Ausserdem bestehen Mengenbeschränkungen für die Haushalte und entsprechend soll das verteilte Wasser nur zur Konsumation verwendet werden. Gemäss Dr. Wood-Donnelly sind andere Einschränkungen gegenwärtig nicht spürbar wie beispielsweise bei der Hygiene oder dem Abwasch. „Zwischendurch riecht man etwas, wenn man sich wäscht“, erklärt sie. „Aber im Moment geht es.“

Die Massnahmen zur Wasserversorgung sind zwar nur temporär, verursachen aber ein weiteres Problem: Plastikmüll. Da das Wasser in Flaschen nach Iqaluit transportiert wird, bleiben diese Plastikfalschen dann hier, sagt sie. „Das bedeutet eine massive Zunahme von Plastikmüll auf der öffentlichen Müllhalde.“ Es seien zwar Bestrebungen im Gang, einen Container für die Entsorgung zu organisieren, doch mehr ist im Moment nicht klar. „Ausserdem müssen die Leute, wenn sie das Wasser aus dem Fluss verwenden, dieses abkochen, was mehr Energie benötigt. Und diese kommt in Form von mehr Diesel verbrennen für die Generatoren.“ Ihrer Meinung nach wird die Wasserdiskussion auch nach dem Ende der Krise weitergehen.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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