Die Arktis wärmt sich immer schneller auf. Schon bald könnte es mehr regnen als schneien, sagt eine aktuelle Studie. Und die Veränderungen geschehen so rasant, dass sich die Tierwelt wohl nicht anpassen kann.
Dass die Arktis sich schneller aufwärmt, als jede andere Weltregion ist seit längerem bekannt. Das bestätigt auch ein Bericht des Arktischen Rates. Die Polarregion hat sich demnach seit 1971 dreimal schneller als der Rest des Planeten erwärmt. Zwischen 1971 und 2019 stieg die durchschnittliche Jahrestemperatur in der Arktis um 3,1 Grad Celsius, auf der Erde insgesamt dagegen um ein Grad Celsius. Der Bericht wurde vom Arctic Monitoring and Assessment Programme (Amap) erstellt, einer Arbeitsgruppe des Arktischen Rates. Dem zwischenstaatlichen Gremium gehören neben Russland und den USA, Kanada, Norwegen, Dänemark, Schweden, Finnland und Island an.
Auf Grund der globalen Erwärmung und dem Rückgang des Meereis ist das Eis inzwischen nur noch halb so dick wie vor 130 Jahren und die Ausdehnung im Sommer nur noch halb so groß. Viel früher als bislang vermutet, könnte es schon in einigen Jahrzehnten erstmals mehr regnen als schneien. Ein Forscherteam der kanadischen University of Manitoba und dem US-amerikanischen National Snow and Ice Data Center erwarten, dass diese gravierenden Veränderung schon Jahrzehnte früher kommen als bislang berechnet.
Basierend auf verschiedenen Klimadatenmodellen gehen sie davon aus, dass sich dieser Wandel je nach Gegend der Arktis und Jahreszeit unterschiedlich bemerkbar machen wird. Aber es könnte bereits zwischen 2050 und 2080 dazu kommen, dass es im Herbst mehr regnet als schneit, auch wenn diese Veränderung erst für 2070 bis 2090 vorausgesagt wurde. Nur wenn es gelingt, die globale Erderwärmung zu verlangsamen, könnten diese Veränderungen in der Arktis vielleicht zumindest teilweise noch verlangsamt werden.
Die Tierwelt wird sich möglicherweise nicht anpassen können, da die Veränderungen zu schnell eintreffen werden, so Mark Serreze, Direktor des National Snow and Ice Data Center. »Das ist nicht nur ein Problem für Rentiere, Karibus und Moschusochsen, sondern auch für die Menschen im Norden, die auf sie angewiesen sind.«
Bereits heute verirren sich Walrosse wegen der steigenden Temperaturen in der Arktis immer wieder in südlichen Gewässern. Ein Tier sorgte kürzlich weltweit für Schlagzeilen: Es war in den Niederlanden auf einem Militär-U-Boot entdeckt worden. Ein anderes Walross war vor der Küste Frankreichs, Spaniens und Irlands beobachtet worden.
In den nächsten Jahren werde sich zeigen, ob das Eis der Arktis noch zu retten ist. Die ganze Region steht kurz vor dem Kipppunkt. Denn verschwindet das Sommer-Meereis komplett, wird das folgenschwere Folgen für die Erdsysteme haben und den Klimawandel weiter vorantreiben.
Als im Mai in der russischen Arktis mehr als 30 Grad gemessen wurden, wies Jörg Hartmann vom Alfred-Wegener-Institut darauf hin, dass »Das Besondere ist, dass diese Temperaturen so früh im Jahr erreicht werden. Wir wissen schon seit einiger Zeit, dass sich die Arktis stärker und schneller erwärmt als die mittleren Breiten«, so Hartmann. »Rekorde dieser Art sind in den nächsten Jahren zu erwarten.«
Die Temperaturen in der Arktis könnten bis zum Ende des Jahrhunderts um 3,3 bis 10 Grad im Vergleich zum Durchschnitt im Zeitraum zwischen 1985 und 2014 steigen. Die Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem seien riesig. Die vier Millionen Bewohner der Region werden die Konsequenzen des Klimawandels immer stärker zu spüren bekommen.
Quelle: Spiegel.de, bearbeitet von Stefan Leimer