Für die meisten Menschen gilt Krill als die wichtigste Nahrungsquelle in polaren Regionen. Doch tatsächlich hat sich im Zwielicht der arktischen und antarktischen Tiefsee eine andere Gruppe beinahe unerkannt zu einer wichtigen Schlüsselart gemausert, nämlich Laternenfische. Eine britisch-australische Forschungsgruppe hat nun untersucht, wie diese ökologisch wichtige Gruppe sich überhaupt an diesen Punkt entwickelt hat und haben dabei erste Beweise für einen bisher kontroversen Evolutionsprozess entdeckt.
Statt geographische Isolation scheinen andere, noch bisher unbekannte Faktoren dafür verantwortliche gewesen zu sein, dass sich die Vorfahren der heutigen Laternenfische in die über 250 verschiedenen bekannten Arten entwickelt haben. Das ist das aufsehenerregende Ergebnis einer breiten Studie von Forscherinnen und Forschern der Universitäten Bristol und Western Australia und der British Antarctic Survey BAS. Damit befeuern sie eine kontrovers diskutierte Debatte, nämlich dass sich Artenvielfalt nicht nur durch geographische Isolation entwickelt, sondern auch andere biologische Prozesse eine Rolle bei der Bildung von neuen Arten spielen könnten. Ihre Arbeit veröffentlichte das Team in der Fachzeitschrift Global Ecology and Biogeography.
Das Forschungsteam um Dr. Jennifer Freer, die als Meeresökologin bei der BAS arbeitet, untersuchte für die Studie die genetischen Informationen von Laternenfischen und erstellte eine Verteilungskarte . Ausserdem untersuchte das Team die Verwandschaftsbeziehungen der verschiedenen Arten und entdeckte, dass Arten, die nahe miteinander verwandt sind, auch geographisch nahe beieinander liegen. Bisher ging man aber davon aus, dass sich neue Arten bilden, wenn Populationen einer Art durch geographische Gegebenheiten getrennt werden und es so zu keinem Kontakt zwischen den Populationen mehr kommt. Mit der Zeit entwickeln neue genetisch festgelegte Anpassungen und aus einer Art entstehen so zwei neue Arten. Bei Laternenfischen wären dies beispielsweise die Entstehung der Antarktischen Konvergenzlinie, die sich durch das Aufbrechen der Landbrücke zwischen Südamerika und Antarktika gebildet hatte. Dies zeigte sich auch in der Analyse des Teams. Doch für temperate und tropische Regionen konnte keine Isolation die Artenbildung erklären. «Dies ist ein wirklich spannender und wichtiger Befund, denn es ist der erste globale Beweis für die Idee einer Artbildung ohne strenge geografische Isolation bei diesen Fischen», erklärt Dr. Freer. Und Professor Martin Genner von der Universität Bristol fügt an: «Diese Idee ist nach wie vor ein umstrittener biologischer Prozess, so dass die von den Laternenfischen gelieferten Erkenntnisse für unser Verständnis der Evolution äusserst wertvoll sind.»
Das Team hatte sich bei seiner Studie auf Laternenfische konzentriert, weil diese Gruppe eine der diversesten Familien von Fischen darstellt. Die rund 250 Arten sind über den gesamten Globus verteilt und sind auch ökologisch sehr wichtig. Einige Arten sind auch in den polaren Regionen beheimatet und bilden dort einerseits die Nahrung für andere Tiergruppen wie Wale und Robben. Im Südlichen Ozean, jenseits der Antarktischen Konvergenz bilden sie sogar die Hauptnahrungsquelle für Königs- und Kaiserpinguine. Da sich antarktische Laternenfische vor allem von Krill ernähren, sind sie einer der Hauptgründe für die riesigen Königspinguinkolonien auf Südgeorgien. Dort finden die Fische alles, was sie brauchen, auch Isolation von den mittlerweile weit entfernten Verwandten im Norden. Zumindest jetzt noch, denn mit der langsamen Erwärmung und der damit brüchiger werdenden Grenze der Konvergenzlinie könnte ein Besuch der nördlichen Verwandtschaft durchaus möglich sein. Ob das Im Sinne der Fische ist?
Dr. Michael Wenger, PolarJournal
Beitragsbild: Laternenfisch Electrona antarctica (C) NOAA