Frühling in der Arktis | Polarjournal
Abb. 1 Eiersammlerin, ca. 2007
Walknochen, Walbarte, Walrosshauer, Plastikschnur, H22 x B11 x T9cm
Idris Moss-Davies, Qikiqtarjuaq (Broughton Island), Nunavut, Kanada

Der April ist vorbei. Der kälteste April seit vielen Jahren. Doch der Mai ist bisher ebenfalls noch kein Wonnemonat. Die Temperaturen steigen nur langsam, die Bäume werden zögerlich grün. Wenigstens werden die Tage zuverlässig immer länger. Zahlreiche Zugvögel kehren nun in den Norden zurück. Zu uns allerdings früher, als in die kanadische Arktis. Dennoch weist auch das riesige Territorium Nunavut im Norden Kanadas mit etwa 150 dort brütenden und fast 300 gesichteten Vogelarten einen beeindruckenden Artenreichtum auf. (Richards/ Gaston: Birds of Nunavut, 2018).

Abb. 2 Eiersammler, 2006
Walknochen, Walrosshauer, Schnur, H15 x B29 x T6 cm
Emily Illuitok, Kugaaruk, Nunavut, Kanada     

Selbst Kolibris (genauer die Rotrücken-Zimtelfe) sind im Sommer im Süden von Alaska anzutreffen. Der grösste Teil davon sind Zugvögel, die ab Ende April in grossen Zahlen bis in den Norden des Territoriums ziehen und dort brüten. Und sie sind eine willkommene Bereicherung des Speiseplans der Menschen und zahlreicher Tiere. Neben der Jagd auf die Vögel, werden deren Eier gesammelt. (Abb. 1 Eiersammlerin, Idris Moss-Davies) Auch der Rest des Vogels findet Verwertung, nicht nur das Fleisch. Aus dem Gefieder werden unter anderem Kleidung und Decken hergestellt. Sowohl aus dem Daunengefieder der Jungtiere, als auch dem Gefieder der erwachsenen Vögel.

Abb. 3 Krabbentaucher mit zwei Eiern im Nest, 1980        
Steatit, H15 x B16 x T15cm
K. Kumak, Aklulivik, Nunavik, Kanada

Das Fehlen von Bäumen zwingt die Vögel dazu, am Boden oder in den Steilküsten zu brüten. Beides birgt Gefahren für Eier und Küken. Und die Altvögel entwickeln Strategien zum Schutz ihrer Brut. Doch das Brüten in den Steilküsten schützt nicht vor Fressfeinden. Eisbären klettern immer wieder in den Felsen, um an die begehrten Eier zu gelangen. Das auch Menschen sich dorthin wagen, zeigt eine Skulptur aus Walknochen und Walrosshauer von Emily Illuitok aus Kugaaruk (Nunavut, Kanada), die zwei Inuit darstellt, die an einer Steilküste Eier von Seevögeln sammeln. (Abb. 2) Die Struktur des porösen Walknochens eignet sich hervorragend dazu, die schroffen Klippen darzustellen.

Abb. 4 Kranich, die Eier schützend, 2016       
Moschusochsenhorn, H23 x B20 x T22cm
K. Nutik, Ulukhaktok, Nordwest-Territorien, Kanada

In der Kunst wird vor allem die eigene Umwelt dargestellt. Mit den Materialien, die diese Umwelt zu Verfügung stellt. Ein Vogel an seinem Nest von Mary Kiinalik Kumak aus Salluit ist aus dem für Nunavik (Arctic Quebec) so typischen grauen Speckstein geschnitzt. (Abb. 3) Flexibler als Stein ist das Horn des Moschusochsen. Es kann erwärmt und dadurch formbar gemacht werden. Doch ist das Verbreitungsgebiet dieser Tiere begrenzt und Künstler, die das Horn verwenden, finden sich vor allem in Ulukhaktok auf Victoria Island. Die Insel gehört teils zu Nunavut und teils zu den Nordwest-Territorien. In dem Gebiet findet man auch Karibus. Ein Kranich (Abb. 4) wurde aus dem Horn des Moschusochsen geschaffen.

Abb. 5 Kranich beim Nest, 2019   
Moschusochsenhorn, H57 x B54 x T24cm
Adam Ekpakohak, Ulukhaktok, Nordwest-Territorien, Kanada

Ein weiterer (Abb. 5) steht auf einer Basis aus Karibugeweih. Und dort, in den flachen Ebenen der Insel, brüten die dargestellten Kraniche. Einen Ausreisser in den Sammlungen des Museum Cerny bildet ein Pottwahlzahn. (Abb. 6) Bis heute wird von verschiedenen Staaten in Teilen der Welt kommerzielle Waljagd betrieben. In der Arktis ist diese Jagd streng reglementiert und die Inuit können pro Jahr nur eine bestimmte Anzahl an Walen jagen, die alle 5 Jahre neu festgelegt wird. Die Zähne des Pottwals bestehen aus Elfenbein und waren, mit Schnitzereien verziert, bereits im 19. Jahrhundert ein beliebtes Souvenir. In Ostgrönland werden bis heute Tupilaks (Geisterwesen) unter anderem aus Walzahn hergestellt. Auf dem hier gezeigten Zahn aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind zwei Pinguine – Elternvogel und Jungvogel – dargestellt, die man, wie bekannt ist, in der Antarktis findet. In der Arktis kommen die Tiere nicht vor.

Abb. 6 Pinguine, vor 1980
Pottwalzahn, Farbe, H14 x B6 x T4cm, unbekannt

Die Bandbreite an verwendeten Materialien ist wohl ebenso überraschend, wie es die Anzahl an Vogelarten in der kanadischen Arktis ist. In kommenden Artikeln werden wir auf einige dieser Materialien genauer eingehen.

Martin Schultz, Museum Cerny

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