Irlands und Estlands arktische Ambitionen | Polarjournal
Der Arktisrat besteht aus 8 Mitgliedsstaaten und 6 NGO und Inuitgruppen plus 38 Beobachter. Da nur Länder und Vertreter, die direkt mit der Arktis assoziiert sind, Mitglieder sein dürfen, stehen die Beobachterplätze allen anderen zur Verfügung. Das letzte Land, das als Beobachter aufgenommen worden war, war die Schweiz. Bild: Arctic Council Secretariat / Linnea Nordström

Die Arktis lockt! Sowohl wirtschaftlich wie auch politisch und wissenschaftlich drehte sich in den letzten Jahren immer mehr das Interesse um den hohen Norden. Doch mittlerweile sind es auch die Auswirkungen des Klimawandels, der auch nicht-arktische Staaten dazu bringt, sich mit dem Gebiet auseinanderzusetzen. Dabei fassen solche Nationen auch ins Auge, sich als Beobachter im erlauchten Kreis des Arktisrates zu bewerben. Denn gerade hier werden alle Belange der Arktis diskutiert und Entscheidungen getroffen. Die neuesten Bewerber sind nun Irland und Estland. Der Entscheid über deren Beitrittsgesuche könnte Hinweise liefern, wie sich das Verhältnis des Westens und Russlands in der Arktis entwickeln wird.

Die beiden EU-Mitgliedsländer haben letztes Jahr offiziell ihre Bewerbung beim Arktisrat eingereicht und müssen nun bis im Mai warten, wenn sich der Arktisrat in Island (je nach COVID-Situation) treffen wird. An diesem Treffen wird dann offiziell über die Beitritte der beiden Länder abgestimmt. Gleichzeitig wird an diesem Treffen offiziell die Leitung des Rates turnusgemäss von Island an Russland übergeben, welches dann für die nächsten zwei Jahre die Präsidentschaft des Arktisrates innehält.

Irland hat in seiner Geschichte einige Forscher und Entdecker hervorgebracht. Prominentester irischer Vertreter in Sachen Polarforschung dürfte sicherlich Sir Ernest Shackleton gewesen sein, der 1874 im County Kildare in Irland geboren worden war. Doch auch sein Gefolgsmann Tom Crean war Ire.

Im irischen Ministerkabinett wurde am 2. Dezember offiziell beschlossen, seine Bewerbung für einen Sitz im Beobachterkreis des Arktisrates einzureichen. Dabei hatte sich Aussenminister Simon Coveney für eine Bewerbung stark gemacht. Irlands Interesse an der Arktis hängt in erster Linie mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Küsten- und Landwirtschaftsgebiete ab. Irland erhofft sich besseren Zugang zu Informationen über die Umwelt- und Klimapolitik der arktischen Nationen, da sich das Land von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sieht. Als Insel direkt am Atlantik liegt die Insel mitten in einem Bereich, in dem Wetterextreme, die durch den Klimawandel verstärkt auftreten können. Und Landwirtschaft spielt in der irischen Wirtschaft immer noch eine wichtige Rolle. Doch auch historisch gesehen, hat Irland eine reiche Polartradition. Einige der bekanntesten Polarforscher aus dem goldenen Zeitalter der Polarforschung stammten aus Irland, darunter Sir Ernest Shackleton und Tom Crean. Auch Edward Bransfield und Francis Crozier waren irisch.

Estland hat besonders viel Energie in seine Bewerbung für einen Platz unter den Beobachtern im Arktisrat gelegt. Die Präsidentin von Estland, Kersti Kaljulaid, hob vergangene Woche in einem virtuellen Auftritt beim Arctic Circle noch einmal hervor, welche Vorteile ein Sitz ihres Landes für beide Seiten haben würde. Bild: Foreign Ministry of Estonia

Auf der anderen Seite steht Estland, das bereits Anfang November seine Bewerbung offiziell beim Arktisrat eingereicht hatte. Das Land hatte bereits im Vorfeld dazu die Werbetrommel kräftig gerührt. Und letzte Woche trat Estlands Präsidentin Kersti Kaljulaid noch einmal bei einem virtuellen Treffen des Arctic Circle auf und unterstrich die Vorteile eines Sitzes Estlands im Beobachterkreis hervor. Besonders die wirtschaftlichen Vorteile im Bereich der Nachhaltigkeit und Entwicklung, die sich aus der Innovationsfreude Estlands ergeben würden, wurden von ihr hervorgehoben. Zusätzlich sieht sich Estland als nördlichste Nicht-Arktisnation (was je nach Sichtweise unterstützt oder abgelehnt werden kann). In der Bewerbung liegen sicherlich besonders wirtschaftliche Interessen, denn Estland liegt direkt an der Grenze zu Russland und vom nördlich gelegenen Murmansk könnten in Zukunft über den schnelleren Landweg Güter aus dem asiatischen Raum nach Europa gelangen, u.a. auch durch Estland. Pläne über eine Eisenbahnverbindung inklusive Tunnel unter der Ostsee hindurch, wurden bereits vorgestellt.

Estlands Präsidentin Kersti Kaljulaid und Russlands Präsident Vladimir Putin bei einm Treffen in Moskau 2019. Rund ein Drittel der Bevölkerung Estlands ist russisch und Präsidentin Kaljulaid hat sich auch für die Minderheit seit ihrer Amtsübernahme eingesetzt. Bild: Kremlin.ru, CC BY 4.0,

Eigentlich spricht nichts gegen eine Aufnahme der beiden Länder. Doch eine Garantie dafür gibt es nicht. Seit 2017 die Schweiz als Beobachter aufgenommen worden war, wurden keine weiteren Nationen oder Organisationen mehr in den Kreis aufgenommen. Und da Russland den Vorsitz über den Arktisrat just in diesem Jahr übernimmt, wird es spannend in Bezug auf die Mitgliedschaft Estlands und Irlands im Kreis der Beobachter. Denn die EU wartet immer noch und ist «nur» ein eingeladener Teilnehmer an den jährlichen Treffen. Ob sich dies mit dem Vorsitz Russlands ändern wird, dürfte im Hinblick der Zwistigkeiten zwischen der EU und Russland in einigen Fragen mehr als fraglich sein. Und auch die Mitgliedschaft Irlands und Estlands in der EU könnte sich vielleicht negativ auswirken in Bezug auf den Einzug in die erlauchte Runde der Beobachter im Arktisrat. Andererseits könnte Hilfe für die Mitgliedschaft von den anderen EU- plus Arktisrat-Mitgliedern Dänemark, Schweden und Finnland kommen. Auch die USA könnten dem NATO-Partner Estland und in diesem Zuge auch Irland Unterstützung liefern. Insgesamt stellt sich die Frage, wie weit die internationale Politik sich mittlerweile in die Plattform des Arktisrates und dessen Entscheidungen hineinzieht. Denn bislang war der Rat einer der wenigen Orte, an denen die Grossmächte miteinander diskutierten und Lösungen erarbeitet hatten, trotz Differenzen in anderen politischen Feldern. Doch Veränderungen geschehen in der Arktis mittlerweile nicht mehr nur in klimatischer Hinsicht.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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