Seeelefanten verfügen über einen Kartensinn  | Polarjournal
Nördliche Seeelefanten sind die größten Echten Robben auf der Nordhalbkugel. Die Weibchen kommen nach 240 Tagen auf See an ihren Brutstrand, um ihre Jungen zu gebären, die sie nur drei Wochen lang säugen, bevor sie wieder ins Meer zurückkehren. Foto: Jerry Kirkland via Wikipedia

Seeelefanten, Nördliche wie Südliche, verbringen die meiste Zeit des Jahres allein auf hoher See auf Nahrungssuche. Jedes Jahr zur Fortpflanzungszeit treffen sie innerhalb weniger Tage an ihren Brutstränden auf der Nord- und Südhalbkugel ein, um kurz darauf ihre Jungen zu gebären. Da stellt sich die Frage, woher die Robben wissen, wann es Zeit ist, in Richtung Brutgebiet aufzubrechen. Ein kalifornisches Forscherteam kam der Antwort in einer neuen Studie an Nördlichen Seeelefanten (Mirounga angustirostris) näher, die in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht wurde.

Wie viele andere Meerestiere wandern auch Seeelefanten Jahr für Jahr zwischen ihren Nahrungsgründen und Fortpflanzungsgebieten hin und her. Sie legen dabei sehr große Distanzen von mehreren Tausend Kilometern zurück. Die Tracking-Daten von 108 erwachsenen weiblichen Nördlichen Seeelefanten, die für die Studie genutzt wurden, zeigen, dass die Tiere etwa 240 Tage im Nordostpazifik auf Nahrungssuche sind und dabei bis zu 10.000 Kilometer zurücklegen, bevor sie an ihre Brutstrände zurückkehren. 

Obwohl Seeelefanten die Zeit im offenen Ozean sehr weit verstreut verbringen auf verschiedenen Längen- und Breitengraden, mit unterschiedlichen Tageslängen und unabhängig voneinander auf Nahrungssuche gehen, treffen sie zur Brutzeit in einem sehr engen Zeitfenster von wenigen Tagen an ihrem Brutstrand ein. Bisher ist nicht bekannt, was die Weibchen dazu veranlasst, die Rückkehr Monate vor der Geburt ihrer Jungen anzutreten.

Die Wanderrouten der weiblichen Nördlichen Seeelefanten verdeutlichen, wie weit verstreut sie sich im Nordostpazifik bewegen. Die Umkehrpunkte bevor sie zu ihrem Brutstrand zurückkehrten sind in gelb dargestellt. Karte: Beltran et al. 2022

Anhand der Tracking-Daten bestimmte das Forschungsteam den Zeitpunkt, an dem die Weibchen umgekehrt sind und den Rückweg zu den Brutgebieten begannen. Demnach kehrten Weibchen, die weiter entfernt vom Brutstrand waren, früher um. Das bedeutet, dass die Tiere die Entfernung zum Brutplatz kennen und entsprechend mehr Zeit für die Wanderung einplanen. Zudem zeigen die Daten, so die Forscher, dass reproduktive Synchronität bei wandernden Tieren auf Populationsebene möglich ist. 

Nach der Ankunft der Weibchen am Strand notierten die Forscher den jeweiligen Zeitpunkt der Geburt, die etwa fünf Tage nach Ankunft erfolgte. Die Berechnungen ergaben, dass die Weibchen ihre Rückwanderung vom offenen Ozean etwa 98 Tage vor der Geburt begannen als sie im Durchschnitt ungefähr 2.800 Kilometer vom Brutstrand entfernt waren.

Südliche Seeelefanten, die größten Robben der Erde, waren zwar nicht Teil der Studie, dürften jedoch über dieselben Fähigkeiten verfügen wie ihre nördlichen Verwandten. Foto: Dr. Michael Wenger

Während es weiter ein Geheimnis bleibt, wie Seeelefanten ihre Position bestimmen — geomagnetisch, astronomisch, akustisch oder olfaktorisch — deuten die Ergebnisse der Forscher daraufhin, dass die großen Robben über einen Kartensinn verfügen, der es ihnen ermöglicht ihre Wanderung auf der Grundlage ihrer aktuellen Position relativ zu ihrem Zielort anzupassen, so die Autoren. Zumindest könnte dies eine Erklärung für die zeitlich fein abgestimmte Ankunft am Brutstrand kurz vor der Geburt sein.

Julia Hager, PolarJournal

Link zur Studie: Roxanne S. Beltran, Alexander L. Yuen, Richard Condit et al. Elephant seals time their long-distance migrations using a map sense. Current Biology, 2022; 32 (4): R156 DOI: 10.1016/j.cub.2022.01.031

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