Longyearbyen, der Hauptort von Svalbard ist durch Kohle gross geworden. Doch nach dem Zusammenbruch der Kohleindustrie ist nur noch die Grube 7, rund 15 Kilometer ausserhalb von Longyearbyen, in Betrieb gewesen. Die Mine liefert die zur Stromproduktion des Ortes nötige Kohle. Nun hat ein massiver Wassereinbruch Ende letzter Woche die Mine komplett lahmgelegt. Der Schaden, der durch das Wasser entstanden ist, sei grösser als bisher angenommen. Die Ironie: Die Wassermengen legten die Stromgeneratoren lahm und stammten wahrscheinlich von Schmelzwasser oberhalb der Mine.
«Das erste, das wir jetzt wollen, ist die Kontrolle über das Wasser, das aus der Mine fliesst»
Per Nilssen, Leiter Grube 7
Als am Sonntag, 26. Juli 2020 der Wassereinbruch bei einer Routineinspektion bemerkt worden war, schien ein schnelles Beheben des Problems noch machbar. Die installierten Pumpen, die routinemässig installiert sind, konnten die Wassermengen nicht bewältigen. Zusätzliche Pumpen und der Bau eines Dammes wurden gestartet, um die Massen in Schach zu halten und ein weiteres Vordringen des Wassers zu verhindern. Doch die Massnahmen waren umsonst. Das Wasser legte am Mittwochabend die Generatoren zur Stromversorgung lahm und plötzlich lief gar nicht mehr. «Das erste, das wir jetzt wollen, ist die Kontrolle über das Wasser, das aus der Mine fliesst», erklärt Per Nilssen, der Leiter der Grube 7. «Daher graben wir einen Kanal aus der Mine heraus und in Richtung Bergabhang, so dass das Wasser aus der Mine in das Flusstal Bolterdalen geführt werden kann. Damit erhalten wir den geringsten Schaden an Gebäuden und Ausrüstung.» Seit Sonntag versuchen zahlreiche Arbeiter von Store Norske unter der Mithilfe des Gouverneurs, Pole Position, der Küstenwache und Lufttransport das Problem in den Griff zu kriegen.
Der Plan, das Wasser via einen natürlichen Ablauf in das Flusstal zu führen, stösst aber auf ein anderes Problem. Unterhalb der Mine liegen sowohl eine Strasse wie das Schlittenhundedepot von Basecamp Explorer, einer lokalen Tourenfirma. Sollte das Wasser unkontrolliert der Hang hinunterfliessen, besteht die Gefahr, dass das Camp in Mitleidenschaft gezogen wird. Ausserdem könnte das Wasser bereits durch Gerätschaften im Innern der Mine bereits belastet sein. «Wir wollen das Wasser nach draussen in ein Gebiet leiten, wo bereits Strassen oder zumindest natürliche Abflüsse existieren, um so wenig Schaden an der unberührten Natur wie möglich zu verursachen», erklärt Jan Morten Ertsaas, der CEO von Store Norske in einer Pressemitteilung. «Aber wir wollen auch sicherstellen, dass das Wasser nicht in Richtung Basecamp fliesst und dass die Hundezwinger nicht in Gefahr sind.»
Woher das Wasser stammt, dass die Mine derart überflutet hat, ist nicht ganz gesichert. Aber es wird vermutet, dass der massive Wärmeeinbruch, der Svalbard letztes Wochenende erreicht hatte, zu einer starken Schmelze des Eismantels oberhalb der Mine geführt hat und das Wasser dann durch das Gestein in die Mine eingedrungen ist. Der Vorfall gebiert nicht einer gewissen Ironie, da das Temperaturextrem dem Klimawandel zugeschrieben wird, in dessen Zuge solche Extreme häufiger auftreten und das Verbrennen von Kohle und die dadurch entstehenden CO2– und Russmengen für das beschleunigte Abschmelzen der Eisgebiete auf Svalbard mitverantwortlich gemacht werden.
«Wir wissen nicht, wann wir wieder den Betrieb aufnehmen können.»
Per Nilssen, Leiter Grube 7
Zurzeit ist die Mine aufgrund der COVID-Krise und aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Betrieb. Sie hätte ab dem 17. August wieder den Betrieb aufnehmen sollen. Doch das ist nun eher unwahrscheinlich. «Wir arbeiten daran, einen Überblick über das Material zu erhalten, welches zerstört worden ist und ersetzt werden muss, um wieder den Betrieb zu starten», sagt Per Nilssen. «Wir wissen nicht, wann wir wieder den Betrieb aufnehmen können.» Die Energieversorgung für Longyearbyen ist aber zumindest für die nächsten fünf bis sechs Monate gesichert, schreibt Store Norske.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal