Ende der Eiszeit und Neubeginn in der Arktis | Polarjournal
Biden und Putin signalisierten bei ihrem Treffen in Genf am Mittwoch einen neuen Umgang miteinander. Foto: Alexander Zemlianichenko/dpa

Wenn das Eis schmilzt, denkt man an die arktischen Regionen und ist tief besorgt — anders als in der Politik: Dass die Begegnung zwischen Biden und Putin in Genf die eingefrorenen diplomatischen Beziehungen wiederbelebt hat, ist wohl der deutlichste Erfolg des bilateralen Gesprächs. Am Mittwoch trafen der amerikanische und der russische Präsident erstmals zusammen, auf neutralem Boden in der Schweiz, mit der Erwartung, das in den letzten Jahren immer frostiger gewordene Verhältnis zwischen beiden Staaten wieder anzutauen. Neben der Verständigung zu Gesprächen über Rüstungskontrolle und die Rückkehr der Botschafter diskutierten die beiden Staatsoberhäupter auch das jeweilige Vorgehen in der für den Schiffsverkehr  stetig zugänglicher werdenden Arktis.

Obwohl Russlands Außenminister Lawrow im Vorfeld des Treffens von Biden und Putin die Erwartungen gedämpft hatte, bezeichneten beide Präsidenten die Gespräche als konstruktiv, was nach Jahren zunehmender Spannungen möglicherweise ein Ende der Eiszeit bedeutet. In jedem Fall war das Treffen ein wichtiger Schritt in Richtung Zusammenarbeit in der Arktis, der Russland in die Pflicht nehmen könnte, seinem Vorsitz im Arktischen Rat (seit Mai diesen Jahres) gerecht zu werden, zumal Putin Kooperationsbereitschaft signalisierte und die Rolle des Arktischen Rates selbst hervorhob: 

«Wenn wir alle zusammen, alle interessierten Länder, und vielleicht zuerst die Länder des Nordischen Rates (sic) zusammenarbeiten werden, um diese Fragen zu lösen – und hier gibt es Fragen, die einer zusätzlichen Überprüfung bedürfen – dann habe ich keinen Zweifel, dass wir Entscheidungen und Lösungen finden werden.» 

Damit spielt Putin wohl auch auf die Neubewertung der Kompetenzen des Arktischen Rates an, der sich erklärtermaßen mit Fragen des Umweltschutzes wie Klimawandel, Umweltzerstörung und Bedrohung der Lebensräume im arktischen Raum beschäftigt und sieht wohl politische Kompetenzen künftig impliziert.

Das erste Gespräch führten die beiden Präsidenten in der Bibliothek der Villa La Grange. Foto: Patrick Semansky/dpa

Der russische Regierungschef betonte nachdrücklich seine Verhandlungsbereitschaft zur Lösung brisanter Fragen rund um den Schutz und die Sicherheit der Arktis hinsichtlich der Sicherung der Nördlichen Seeroute, die den Nordatlantik und die Barentssee mit dem Pazifik verbindet und unterstrich die Notwendigkeit von Garantien zur Erhaltung des Friedens in der Arktis: «Ich habe unseren Kollegen gesagt, dass ich keinen Grund zur Sorge sehe. Im Gegenteil, ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir in dieser Richtung zusammenarbeiten können und müssen», sagte der Präsident. «Ich sehe kein Problem [in der Region], das wir nicht lösen können», betonte er.

Damit konnte Putin allerdings die Besorgnis der USA über russische Aktionen zur verstärkten militärischen Positionierung in der Arktis offenkundig nicht zerstreuen und Joe Biden unterstrich in seinem Resümee der Gespräche, dass die amerikanische Regierung Russlands diesbezügliche Aktivitäten sehr wachsam verfolgen werde, obgleich Putin alle diesbezüglichen Vorwürfe als unbegründet zurückwies, aber Akzente setzte: «Ein Anrainerstaat ist verpflichtet, eine friedliche Durchfahrt zu ermöglichen, auch für Militärschiffe», sagte Putin und bekannte sich damit zum internationalen Recht auf die friedliche Nutzung des Nördlichen Seeweges.

Die Arktis nahm bei dem Genfer Treffen offenbar eine Schlüsselrolle ein, wie auch Präsidentin Joe Biden in einem Pressebriefing vor seiner Abreise aus Genf betonte, indem er den Fokus darauf legte, «wie wir (USA und Russland) sicherstellen können, dass die Arktis eine Region der Zusammenarbeit und nicht des Konflikts bleibt.» 

Russlands Eisbrecher sind unerlässlich für den Transport auf der Nördlichen Seeroute. Foto: Rosatomflot

Biden erwähnte auch «die Notwendigkeit, dass wir in der Lage sein müssen, eine Art Modus Operandi zu haben, in dem wir uns damit beschäftigen, sicherzustellen, dass die Arktis tatsächlich eine freie Zone ist.»  Die Sichtweisen beider Seiten liegen in dieser Frage offenkundig weit auseinander. 

Fragen des Klimawandels und Umweltschutzes direkt zu berühren, haben jedoch beide Gesprächspartner vermissen lassen. Mit diesem ersten Treffen zwischen den Staatsoberhäuptern der beiden mächtigsten Anrainerstaaten der Arktis ist Bewegung in die seit Trumps Regierungszeit völlig festgefahrenen Beziehungen gekommen – ob den, wie beide Seiten betont haben, konstruktiven Gesprächen wirksame Schritte folgen, bleibt abzuwarten. Die Zeit drängt für die Arktis.

Julia Hager, PolarJournal

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