Es ist eines der bekanntesten Bilder aus der Zeit der frühen Erforschung der Antarktis: Der heldenhafte Entdecker, der von seinem treuen Team von Hundegefährten durch das eisige Ödland gezogen wird. Allerdings zeigen neue Ergebnisse neuseeländischer Forscherinnen und Forscher, die einen jahrhundertealten Hundekuchen analysiert hatten, dass die Tiere auf diesem Bild wahrscheinlich mit halb leerem Magen marschierten: Frühe britische Antarktisexpeditionen von Scott oder Shackleton haben wohl ihre Hunde unterernährt.
In einem in der Fachzeitschrift Polar Record kürzlich veröffentlichten Artikel analysierten Forscher des Canterbury Museums, der Lincoln University und der University of Otago in Neuseeland die Geschichte und den Inhalt von «Spratts Hundekuchen», dem Futter der Wahl für die Hunde früher Antarktisexpeditionen. Die Hauptautorin, Dr. Jill Haley, Kuratorin für Geschichte am Canterbury Museum, hat das Leben von Hunden in der Antarktis erforscht und 2018 die Ausstellung «Dogs in Antarctica: Tales from the Pack» entwickelt. «Die frühen Entdecker schätzten ihre Hunde nicht nur für das Schlittenziehen, sondern auch für ihre Gesellschaft in der trostlosen Abgeschiedenheit der Antarktis», erklärt sie. «Unsere Analyse eines teilweise zerbröckelten «Spratts Hundekuchens», einer von vier im Canterbury Museum, ergab, dass sich der Inhalt der Kuchen nicht so sehr von modernen Hundekeksen unterschied. Die Menge, die auf den Expeditionen an die Hunde verfüttert wurden, lieferte jedoch nicht genug Energie für ihre ganzen Aktivitäten.»
Tiernahrung war eine relativ neue Erfindung im frühen 20. Jahrhundert und galt als überlegen gegenüber älteren Praktiken wie beispielsweise Hunde mit Tischabfällen zu füttern oder sie selbst nach Fressbarem suchen zu lassen. Frühe Polarforscher waren besonders von «Spratts Hundekuchen» begeistert, weil sie leicht zu transportieren waren, keine Mühe in der Zubereitung boten und ewig haltbar waren. Die Kuchen wurden auf zwei Polarexpeditionen in der Arktis verwendet, bevor sie von Captain Robert Falcon Scotts Entdeckungsexpedition (1901-1904) nach Süden gebracht wurden. Die 18 Schlittenhunde der Expedition erhielten die Kekse zusammen mit getrocknetem Fisch aus Norwegen; alle Tiere aber starben nach dem Verzehr von ranzigem Fisch auf einer Schlittenexpedition. Um eine Wiederholung dieser Tragik zu vermeiden, fütterten die Betreuer von Scotts Terra Nova-Expedition (1910-1913) die Tiere allein mit «Spratts». Bei einer Ration von jeweils 0,3 kg Keksen pro Tag bekamen die Hunde grossen Hunger und frassen sogar ihre eigenen Exkremente. Besserung trat erst ein, als ihnen Robbenfleisch hinzugefügt wurde.
Ernest Shackleton verwendete «Spratts» auf seinen Expeditionen mit der Nimrod (1907–1909) und der Endurance (1914–1917), wo sie Teil einer Hundeernähurng waren, die auch Robbenfleisch, Speck, Kekse und Pemmikan enthielt, eine energiereiche Mischung aus Fett und Protein.
Die Forscher der University of Otago, Professor Keith Gordon, Dr. Sara Fraser-Miller und Jeremy Rooney, verwendeten eine laserbasierte Analyse, um die Zusammensetzung der Materialien im Kuchen mit einer Auflösung im Mikrometerbereich zu bestimmen und eine Reihe von Bestandteilen wie Weizen, Hafer und Knochen zu identifizieren. Dr. Craig Bunt, ausserordentlicher Professor für Tierwissenschaften an der Lincoln University, verglich die Kuchen mit ähnlichen Lebensmitteln, einschliesslich moderner Hundenahrung, und berechnete, wie viele Kilojoule Energie jeder Keks geliefert hätte. Um den Energiebedarf moderner Schlittenhunde zu decken, hätten die Hunde auf den frühen Antarktisexpeditionen täglich zwischen 2,6 und 3,2 kg «Spratts Hundekuchen» essen müssen. Historische Berichte deuten jedoch darauf hin, dass die täglichen Hunderationen auf einigen Expeditionen nur etwa 0,5 kg Kekse und manchmal nur 0,3 kg betrugen. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass «Spratts Hundekuchen» wahrscheinlich ein geeignetes Alleinfutter für Hunde in der Antarktis waren; Hunde auf den frühen Expeditionen wurden einfach aber nicht genug davon gefüttert. Ein echtes Hundeleben also.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal / Pressemitteilung Canterbury Museum