Schifffahrt durch die Arktis könnte nachhaltig und rentabel werden | Polarjournal
Der grösste Anteil des arktischen Schiffsverkehrs wird von Russland getragen. Denn die Nordostpassage ist eine der Lebenslinien zwischen dem industriereichen Westen und dem rohstoffreichen Osten des Landes. Sie bildet auch die direkteste Route von Asien zu den europäischen Märkten. Bild: Archivbild TASS

Der globale Warenverkehr hängt massgeblich von der Schifffahrt ab und auch von einigen Nadelöhren wie dem Suezkanal. Diese Abhängigkeit könnte durch alternative Routen durch die Arktis stark reduziert werden. Doch die Umweltrisiken für die arktischen Ökosysteme, die durch fossile Treibstoffe und durch die Nutzung von unzweckmässigen Schiffen entstehen könnten, sind viel zu hoch und auch zu kostenintensiv. Zu diesem Schluss kommt eine britische Forschungsgruppe in einer neu veröffentlichten Studie. Aber sie zeigen auch eine mögliche Lösung aus diesem Konflikt auf.

Mehr Investitionen in die Entwicklung von alternativen Treibstoffen, das Einbinden von impliziten Kosten bei Umweltschäden bei der Bewertung von Kosten-Nutzenrechnungen durch die Schifffahrtsindustrie und nicht zuletzt das verbesserte Einbinden umweltrelevanter Abwägungen bei den Entscheiden der Politiker bilden einen möglichen Weg hin zu einer nachhaltigeren Schifffahrt durch die Arktis. Zu diesem Ergebnis kommt die Forschungsgruppe der Universität London in ihrer neu veröffentlichten Studie. Diese wurde vor kurzem in der Fachzeitschrift Transportation Research Part A: Policy and Practice in einer Sonderausgabe zum Thema «Nachhaltige Arktissysteme» veröffentlicht.

Eine der schwerwiegendsten Folgen für die Arktis und ihren Schutz sind die Emissionen durch die Schifffahrt. Meist werden die Kosten dafür in den Bewertungen und den politischen Entscheidungen zu wenig stark betrachtet. Die Arbeit der Autoren hat dies nun geändert. Archivbild

Dabei betrachtete das Team um Hauptautor Joseph Lambert, Student am Energie-Institut der Universität London, sowohl die ökonomischen wie auch die ökologischen Kosten und die Wettbewerbsfähigkeit der arktischen Schifffahrt unter zwei verschiedenen Umweltaspekten: keine Einschränkungen der Emissionen (business as usual) durch Politik und Industrie und ein Null-Emissionsszenario durch die Verwendung von «grünen» Treibstoffen. «In der Arktis sind aufgrund der globalen Erwärmung erhebliche Veränderungen im Gange, und aus Sicht der Schifffahrt sollten wir uns darauf vorbereiten, indem wir alle Chancen, Risiken und Kompromisse bewerten, die nicht ausschliesslich finanzieller Art sind», erklärt Lambert dazu. Die Forscher den Fokus bei ihren Modellberechnungen auf den Emissionen und deren Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit und liessen die Kosten durch andere Umweltgefahren erst einmal aus. Dies würde in einer weiteren Studie noch nachgeholt, schreibt das Team in seiner Arbeit. «Dies ist eine neuartige Arbeit, die die wirtschaftlichen Kosten neben den Umweltkosten für die Arktisroute aufzeigt und zeigt, wie bestimmte Technologieentscheidungen, die durch politische Anreize gefördert werden könnten, die Umweltkosten, die ansonsten durch die arktische Schifffahrt entstehen würden, erheblich reduzieren könnten», erklärt Dr. Tristan Smith vom Energie-Institut der Universität.

Unter den verschiedenen Szenarien in Bezug auf mögliche Routen durch die Arktis sind vor allem die Wege entlang der Nordostpassage im Zentrum des Interesses. Denn sie bilden den kürzesten und eisfreiesten Weg durch die Arktis in einem «Business as usual»-Szenario (rechts). Doch das bedeutet auch massive Emissionen und «Black Carbon» in den Regionen (links) Karten: links: Comer et al (2020), ICCT; rechts: Smith_Stephenson (2013) PNAS 110 (13)

Eine rein wirtschaftliche Betrachtung der Kosten der Schifffahrt ohne Einbezug der Umweltkosten bedeutet nach den Modellberechnungen der Forscher einen klaren Vorteil für die Nutzung fossiler Brennstoffe. Gemäss den Modellberechnungen wäre somit die Schifffahrt entlang der Arktisrouten (Sommer) in Kombination mit der Suezroute (Winter) im Jahr 2035 rentabel und ab 2050 durch den Verlust des arktischen Eises ebenfalls. Erst durch die Kosten, die durch die Schäden an Umwelt und Gesundheit der arktischen Bewohner entstehen, wird die Schifffahrt durch die Arktis in ihrer bisherigen Art unrentabel, ein Fakt der bisher nur ungenügend miteinkalkuliert wurde. Ein Wechsel auf alternative Treibstoffe wären dann der sowohl wirtschaftlichste wie auch umweltfreundlichste Weg, die Rentabilität der Schifffahrt zu gewährleisten.

«Die Arbeit zeigt eine klare Rechtfertigung an die Regierungen, jetzt einzugreifen, um zu verhindern, dass eine schmelzende Arktis eine Senkung der Schifffahrtskosten aufgrund der weiteren Beschleunigung der Degradation dieses entscheidenden Ökosystems ermöglicht»

Dr. Tristan Smith, Energy Institute, University of London

In Bezug auf den Typ des alternativen Treibstoffes, so die Schlussfolgerung der Autoren, wäre die Nutzung von Brennstoffzellen auf Ammoniak-Basis die beste Lösung, da sowohl ihre Produktion wie auch die Nutzung praktisch Emissionsfrei wäre. Voraussetzung dazu aber wäre eine grüne Stromproduktion zur Herstellung von Ammoniak. Das bedeutet, dass auch Politiker ausserhalb der arktischen Nationen ihre Anstrengungen für eine umweltfreundlichere Energieproduktion verstärken müssten. «Die Arbeit zeigt eine klare Rechtfertigung an die Regierungen, jetzt einzugreifen, um zu verhindern, dass eine schmelzende Arktis eine Senkung der Schifffahrtskosten aufgrund der weiteren Beschleunigung der Degradation dieses entscheidenden Ökosystems ermöglicht», meint Dr. Smith. Und Joseph Lambert meint abschliessend: «Es ist von entscheidender Bedeutung, dass das arktische Eis seine Beständigkeit behält – um die Ziele der globalen Erwärmung einzuhalten und die Ökologie der Region zu schützen.»

Für Umweltorganisationen wie den International Council on Clean Transportation ICCT dürfte diese Arbeit gute Neuigkeiten sein, denn sie kämpft bereits seit Jahren für eine nachhaltigere Transportlösung durch die Arktis und gegen die Verschmutzung durch Emissionen.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: Lambert J., Thomas G., Rehmatulla N., Smith T., A techno-economic environmental cost model for Arctic shipping. Transportation Research Part A: Policy and Practice, 2021; 151: 28 DOI: 10.1016/j.tra.2021.06.022

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