Antarktisches Nadeleis bedeutend für globale Ozeanzirkulation | Polarjournal
Nadeleis bildet sich unter der Meeresoberfläche und sorgt für die Entstehung von kaltem, dichtem Wasser. Foto: Masato Ito

Das globale Klima wird maßgeblich von Ozeanströmungen beeinflusst. Die bedeutendste unter ihnen ist das globale Förderband, auch thermohaline Zirkulation genannt, das die großen Ozeane miteinander verbindet. Es wird angetrieben von globalen Dichteunterschieden der Wassermassen, die von Temperatur und Salzgehalt bestimmt werden. Der Anschub für die erdumspannende Zirkulation entsteht im Wesentlichen dort, wo kaltes, salzreiches Wasser aufgrund seiner höheren Dichte in die Tiefe absinkt, vor allem im Nordatlantik. Neben diesen wichtigen Tiefenwasserbildungszonen spielt aber auch Eis, das sich in der Antarktis unter der Meeresoberfläche bildet, eine entscheidende Rolle, wie ein japanisches Forschungsteam jetzt herausfand. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.

Der Südliche Ozean rund um die Antarktis verbindet den Atlantik, den Pazifik und den Indischen Ozean miteinander und ist somit eine zentrale Komponente in der globalen Zirkulation. Nahe des antarktischen Kontinents bilden sich große Mengen Meereis, wobei Salz nicht im Eis eingeschlossen wird, sodass salzreiches und kaltes, also dichtes Wasser zurückbleibt und auf den Meeresboden sinkt. Dieses sogenannte Antarktische Bodenwasser (AABW) ist die kälteste und dichteste Wassermasse der thermohalinen Zirkulation und es verbreitet sich von dort aus über den größten Teil der globalen Tiefsee. 

Die thermohaline Zirkulation umspannt fast die gesamte Erde und beeinflusst somit auch das globale Klima. Kaltes Tiefenwasser wird vor allem im Nordatlantik und in der Antarktis gebildet. Grafik: Kay I. Ohshima

Da die thermohaline Zirkulation das globale Klima beeinflusst, wollte Kay Ohshima von der Universität Hokkaido und sein Team den Mechanismus der AABW-Bildung verstehen und herausfinden, wie sich die globale Erwärmung darauf auswirkt. «Wir haben überraschende neue Ergebnisse über die Form des Meereiswachstums in einem wichtigen AABW-Produktionsgebiet in der Nähe von Cape Darnley in der Antarktis gefunden, die möglicherweise weitreichende Auswirkungen auf andere Gebiete haben», sagt Kay.

Satellitenüberwachung und im Ozean verankerte Sensoren lieferten Daten, die die Bedeutung von sogenanntem «Nadeleis» (engl. frazil ice) für die Bildung von dichtem, kaltem Wasser zeigten. Dieses Nadeleis bildet sich unter der Meeresoberfläche, wenn starke kalte Winde das Wasser weiter abkühlen und durchmischen, sodass dessen Temperatur unter den Gefrierpunkt fällt. Je nach Windstärke und lokalen Bedingungen, kann diese Abkühlung bis in eine Tiefe von 80 Meter oder mehr erfolgen.

Nadeleis wird vor allem dort gebildet, wo die katabatischen Winde vom antarktischen Kontinent auf offenes Wasser treffen, beispielsweise in den Küstenpolynyas oder Polynyas im Packeis. 

An der Küste um Cape Darnley in der Ostantarktis bildet sich Nadeleis unter der Meeresoberfläche vor allem wegen des starken Windes und des daraus resultierenden Wärmeverlustes. Grafik: Ohshima et al. 2022

«Es ist wichtig zu erfahren, dass ein so wichtiger Prozess unter Wasser abläuft, der einen Aspekt des Zirkulationssystems offenbart, der zumindest teilweise aus dem Blickfeld verschwunden ist», so Kay.

Sogar in Nährstoffkreisläufen könnte Nadeleis eine Rolle spielen. Das Forschungsteam vermutet, dass die Eiskristalle am Meeresboden Sediment aufnehmen, das sie beim Schmelzen wieder abgeben und so das Plankton düngen und die allgemeine biologische Produktivität der Gewässer rund um die Antarktis beeinflussen. 

«Unser nächster Schritt besteht darin, diese neuen Prozesse in das Verständnis der Biogeochemie des Südlichen Ozeans und der Kohlenstoffzirkulation einzubeziehen, was umfangreiche neue Feldarbeit und Forschung erfordert», sagt Kay abschließend.

Julia Hager, PolarJournal

Link zur Studie: Kay I. Ohshima et al. Dominant frazil ice production in the Cape Darnley polynya leading to Antarctic Bottom Water formation. Science Advances. October 19, 2022 DOI: 10.1126/sciadv.adc9174

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