Buch – Nachruf auf die Arktis | Polarjournal
Wer nach Svalbard reist, sieht erst einmal vor allem die Schönheit des Archipels und der Arktis. Doch Klimawandel und Verschmutzung sind auch hier soweit fortgeschritten, dass die Spuren kaum mehr zu übersehen sind. Bild: Michael Wenger

Svalbard gilt als «Arktis in der Nussschale» und liefert im Prinzip alles, was die Arktis in ihrer Vielfalt, Wildheit und Schönheit ausmacht. Aber auch die Probleme, die der Arktis massiv zusetzen, sind auf Svalbard allgegenwärtig. Birgit Lutz, Journalistin, Polarguide und Buchautorin, die seit vielen Jahren diese Region ihre zweite Heimat nennt, hat ein neues Buch veröffentlicht, in welchem sie die Leserschaft auf eine Reise in die Arktis mitnimmt und dabei die Probleme, aber auch Mut machen will, neue Lösungswege zu gehen.

Um es gleich vorneweg zu nehmen: Das Buch «Nachruf auf die Arktis» von Birgit Lutz ist nicht leicht, sowohl vom Umfang her (496 Seiten auf 724 Gramm verteilt) wie auch vom Inhalt. Das bezieht sich aber nicht auf die Verständlichkeit, sondern auf die Thematik. Denn es geht um nichts weniger als die Zukunft der Arktis und am Ende auch um unseren Umgang mit der Erde am Beispiel Svalbard. Hier läuft der Klimawandel, wie in vielen Teilen der Arktis, bis zu 4-mal schneller als an anderen Orten der Welt ab und lässt Gletscher abschmelzen, das Meer immer später zufrieren und extreme Wetterereignisse häufiger auftreten. Währenddessen finden Besucher, die eigentliche die Unberührtheit der Natur auf 80° nördlicher Breite noch suchen, die Produkte unseres Alltagslebens in Form von Netzen, Plastikflaschen und -taschen und bisweilen sogar ganze Bekleidungsteile. All dies hält die Autorin, die seit Jahren dort oben unterwegs ist und die Region wie ihre Heimat Schliersee in Bayern kennt, schonungslos der Leserschaft vor Augen. Eingebettet in eine Beschreibung einer Reise, wie sie Birgit Lutz immer wieder leitet, führt sie die Aufmerksamkeit geschickt von der einmaligen Schönheit der Arktis (in Form von Bildern im Buch dargestellt) auf die weniger schönen Seiten Svalbards.

Das Buch besteht einerseits aus den Beschreibungen und Erläuterungen und Gedanken der Autorin, illustriert mit ihren Bildern aus der Arktis. Andererseits lässt sie aber einige Experten zu den verschiedensten Themen zu Wort kommen und beleuchtet die Probleme der Arktis von unterschiedlichen Seiten, ebenso wie die Aufrufe, jetzt noch das Steuer herumzureissen, um die Zukunft der Arktis zu sichern. Bilder: Michael Wenger

Eine Person, die so viel Zeit in der Arktis verbracht hat, wie Birgit Lutz, und dabei so viele Erfahrungen gemacht, Menschen getroffen und darüber auch geschrieben und referiert hat, könnte jetzt leicht einfach weitere Fakten zu den Themen recherchieren und sie dann mit eigener Meinung und Gedanken versehen als Buch veröffentlichen. Doch in diesem Fall geht die Autorin einen grossen Schritt weiter und bringt nicht nur ihre eigenen Gedanken und Beschreibungen zu Papier, sondern lässt Experten zu Wort kommen, um die Problematiken zu beschreiben. Ob es sich um komplexe Themen wie Meereisphysik, Ozeanographie, Meteorologie oder Treibhausgasemissionen handelt oder sogar um ethische und psychologische Themen wie warum Menschen den menschgemachten Klimawandel leugnen oder wie man Gutes tun kann, obwohl es falsch scheint, immer wieder werden die einzelnen Kapitel des Buches geschickt mit den Erkenntnissen von Experten verwoben. Dadurch erhält man als Leserin und Leser einen breiteren Blick darauf, was Birgit Lutz in ihrer gewohnt klaren Art für Svalbard beschreibt. Und anders als viele Bücher, die sich ebenfalls mit den Problemthemen der Arktis befassen, endet es bei ihr nicht mit dem traurigen Blick auf eine dunkle Zukunft. Vielmehr zeigt sie Möglichkeiten, Wege und Lösungsvorschläge, wie jede Person individuell und die ganze Gesellschaft ihren Beitrag leisten kann, um den Problemen entgegenzutreten. Mut machen und Optimismus versprühen statt Trübsal blasen und im Nichtstun zu versumpfen ist die Devise.

Das Buch von Birgit Lutz ist nicht dazu gedacht, im Reisegepäck mit nach Svalbard genommen zu werden. Aber nicht, weil es zu schwer wäre oder die Themen zu deprimierend oder zu komplex, sondern weil man vor lauter Lesen die ganzen Geschehnisse draussen verpassen würde. Zu keinem Zeitpunkt werden Leserinnen und Leser alleine gelassen oder verlieren den Zusammenhang. Die Autorin schafft es, den Spannungsbogen über die ganzen 496 Seiten aufrechtzuhalten ohne dabei aber zu technisch oder zu wissenschaftlich zu werden. Auch die Blöcke der Experten sind sehr verständlich geschrieben und illustriert und schaffen damit eine Brücke zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Ein Buch, das trotz der Schwere der Thematik, Mut machen will, egal ob man bereits auf Svalbard oder der Arktis war oder nicht. Denn es geht jeden von uns an. Zusammen mit «Spitzbergen Svalbard» von Rolf Stange sollte das Buch von Birgit Lutz sicherlich bei jedem Arktisfan und am besten in jede gute Bibliothek gehören, damit der «Nachruf auf die Arktis» nicht einfach ungehört verhallt.

Titel:Nachruf auf die Arktis – Noch können wir die Welt retten
Autorin:Birgit Lutz
ISBN:978-3-442-77194-3
Format:Kartonierter Einband
Verlag:btb Verlag
Anzahl Seiten:496
Gewicht:724g
Größe:L207mm x B137mm x D33mm
Erstveröffentlichung2022
Auflage1. Auflage
Sprache:Deutsch
Verfügbar bei:Buchhandel oder direkt bei Birgit Lutz

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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