Die Emanzipation von Grönland ist in den letzten Jahren weit fortgeschritten. Sowohl geopolitisch wie auch wirtschaftlich rückt das Land immer weiter ins Zentrum der globalen Aufmerksamkeit. Um seine Interessen bei den globalen Grossmächten besser wahren zu können, sind in den letzten Jahren mehrere Vertretungen eröffnet worden. Die neueste nun im fernen China.
Seit letztem Montag ist Grönland mit der Eröffnung der eigenen Vertretung offiziell in diplomatischer Verbindung mit China. Das schreibt die Regierung von Grönland in einer Pressemitteilung. Die Vertretung wurde durch die grönländische Ministerin für Unabhängigkeit und Aussenpolitik, Vivian Motzfeldt, und im Beisein hochrangiger politischer Vertreter Chinas und des dänischen Botschafters Thomas Østrup Møller offiziell eröffnet. Damit ist Grönland nun nicht nur in den USA und in Europa vertreten, sondern auch in Asien. Die Leitung der neuen Vertretung obliegt Jacob Isbosethsen.
Im Prinzip sind sowohl Grönland wie auch die Färöer schon seit zwei Jahren in China vertreten. Da aber die Corona-Politik der chinesischen Regierung erst vor einigen Monaten eine Lockerung erlebt hatte, konnte die offizielle Eröffnung erst jetzt durchgeführt werden.
Die Vertretung ist in den Gebäuden der dänischen Botschaft in Beijing untergebracht und wird sich besonders der politischen, kulturellen und auch wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der grössten Insel der Welt und dem bevölkerungsreichsten Land der Welt widmen. Entsprechend waren auch einige Wirtschaftsvertreter aus Grönland bei der Eröffnung anwesend.
Vivian Motzfeldt erklärte in ihrer Rede: «Wir wollen unsere Handelsbeziehungen aufrechterhalten und ausbauen und uns für einen besseren Zugang zum chinesischen Markt einsetzen, und die offiziellen diplomatischen Beziehungen können dazu beitragen. Es gibt eine große Nachfrage nach unseren grönländischen Produkten, und es ist wichtig, diese Bedingungen zu berücksichtigen, sowohl verwaltungstechnisch als auch bei der Werbung. In der grönländischen Vertretung zeigen wir, dass wir präsent sind und immer zum Dialog mit den Behörden bereit sind.»
Von der Vertretung in China erhofft sich die Regierung in Nuuk einen Vorteil im Bereich der Fischerei und des Zugangs auf den chinesischen Markt, wie Vivian Motzfeldt in ihrer Ansprache weiter ausführte. Grönlands Fischereifirmen wie Royal Greenland und Polar Seafood verdanken einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Einnahmen dem Verkauf von Plattfischen, Krabben und Krebsen in China. Doch der Zugang zum chinesischen Markt ist nicht einfach, was auch zahlreiche andere europäische Firmen in anderen Branchen bestätigen können. Bürokratie und Zölle sind nur zwei der Hindernisse. In direkteren Gesprächen dank der Vertretung will man hier Abhilfe schaffen.
Doch auch China hofft, dass die Vertretung Grönlands die bilateralen Gespräche in Sachen wirtschaftlicher Zusammenarbeit erleichtert. Das grösste Land der Welt liebäugelt nämlich nicht nur mit den Produkten in den Gewässern rund um die Insel, sondern auch mit den Rohstoffen, die im Boden und unter dem Eisschild liegen. Studien haben gezeigt, dass neben den fossilen Brennstoffen in den Küstenbereichen Grönlands Reichtum auch im Bereich Seltener Erden, Metallen und auch Uran liegen. Gerade letzteres aber will die gegenwärtige Regierung unter Múte B. Egede nicht antasten und hatte schon 2021 ein Förderverbot ausgesprochen. Das führte zu einem Streit mit dem Koalitionspartner Siumut, an der beinahe die Regierung in diesem Jahr zerbrochen wäre.
Mit der Eröffnung einer eigenen Vertretung in China öffnet sich Grönland zwar etwas mehr dem Osten. Doch die Hauptblickrichtung der grönländischen Regierung dürfte trotz allem im Westen liegen. Mit den USA bestehen zahlreiche Abkommen, das Land ist immer noch auf dem Luftwaffenstützpunkt Pituffik Space Base (ex-Thule Air Base) stationiert und betreibt eine eigene Vertretung in Nuuk. Auch in anderen Bereichen orientiert sich Grönland stark am westlichen Nachbarn.
Und auch mit der Nato bestehen enge Beziehungen und Grönland hat seit neuestem eine Vertretung im Nato-Hauptquartier. Am kürzlichen Arctic Circle Treffen war auch mehrfach zu hören, dass Grönland im Falle einer Unabhängigkeit sich mit dem Verteidigungsbündnis stärker assoziieren könnte. Darum dürfte die Eröffnung einer eigenen Vertretung in den westlichen Partnerländern zwar aufmerksam verfolgt worden sein. Doch wirklich Sorgen, dass sich die Insel weiter nach Osten bewegen könnte, dürfte man sich weder in Washington noch in Brüssel machen.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal