Der polare Rückblick – Chancen und Möglichkeiten in Polarregionen | Polarjournal
Orte wie Grönlands Hauptstadt Nuuk und auch kleinere arktische Gemeinde haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten den Wandel in der Arktis zu spüren bekommen. Dabei sind es nicht nur klimatische Veränderungen, sondern auch politisch, wirtschaftlich und sozial ändert sich das Gesicht der Arktis. Foto: Wiki Commons CC BY-SA 4.0

Der polare Rückblick greift Geschehnisse der vergangenen Woche auf, die mit Arktis und Antarktis zusammenhängen und stellt einen oder mehrere Aspekte ins Zentrum der Betrachtung. Dieses Mal stehen wirtschaftliche Möglichkeiten und Chancen im Fokus, die sich durch den Wandel der Arktis ergeben, der sich nicht nur klimatisch zurzeit ereignet. Mads Qvis Frederiksen vom Arctic Economic Council wirft im Interview von Radio Arctic einen Blick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der wirtschaftlichen Entwicklung.

Die Arktis und die Antarktis sind im Wandel: nicht nur klimatisch, sondern auch politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich ändert sich das Gesicht der polaren Regionen in einem immer schneller werdenden Tempo. Die Ursachen stehen teilweise mit dem Klimawandel in Verbindung, teilweise aber auch mit den rasanten globalen Veränderungen. Dies wurde letzte Woche einmal mehr deutlich bei der Ankündigung des norwegischen Verteidigungsminister Bjørn Arild Gram, der in einem Interview mit der Nachrichtenplattform High North News erklärte, dass zur Stärkung der norwegischen Verteidigungsbereitschaft neben einer neuen Brigade auch viele Infrastrukturprojekte umgesetzt werden müssen. Das bedeutet mehr Bautätigkeiten, mehr Dienstleistungen, mehr Arbeitsplätze und stellt nur ein Beispiel dar. Ähnliches ist auch aus Schweden und Finnland, Kanadas nördlichen Regionen, aus Alaska und auch aus der Antarktis zu hören, wo viele der Vertragsstaaten ihre Stationen modernisieren oder sogar neue bauen. All dies zeigt die Verzahnung der einzelnen Faktoren, die für den Wandel in der Arktis verantwortlich sind.

Der Geschäftsführer des Arctic Economic Council, Mads Qvist Frederiksen, sieht die wirtschaftlichen Veränderungen in der Arktis und ruft dazu auf, mehr für die Menschen in den Regionen zu tun, die Bedingungen zu verbessern und so die Arktis zu einem attraktiveren Arbeits- und Lebensort zu transformieren. Bild: Arctic Circle

Den Wandel in den polaren Regionen spüren die Menschen in der Arktis besonders stark. «Vier Millionen Menschen nennen die Arktis ihre Heimat», erklärt Mads Qvist Frederiksen, Geschäftsführer des Arctic Economic Council, in einem Interview mit Radio Arctic, einer Radio-Plattform, die das Interview in Zusammenarbeit mit Polar Journal AG durchgeführt hatte. «Hier leben wir, hier gehen wir zur Arbeit», erklärt er. Den Wandel in der wirtschaftlichen Entwicklung und damit auch im Bereich Arbeitsplätze sieht er vor grossen Herausforderungen stehen. Die traditionellen Sektoren, die für Arbeit gesorgt hatten, wie Fischerei, Bergbau oder auch Tourismus, müssen heute anders agieren als noch vor 20 oder 30 Jahren, meint er. Nachhaltigkeit steht in der Regel zuoberst auf der Agenda und er sieht drei Hindernisse für eine nachhaltige Entwicklung in der Arktis: zu wenige Investitionen, nicht ausreichende Infrastrukturen und zu wenige Menschen.

Gerade letzteres ist von grosser Bedeutung, denn nach Ansicht von Mads Qvist Frederiksen bewegen sich die arktischen Regionen in Skandinavien und Grönland in einer Abwärtsspirale: Wegzug aufgrund schlechter Infrastrukturen, schlechter Bildungs- und Arbeitsbedingungen und kaum Zukunftsaussichten aufgrund fehlender Investitionen. «Vor einige Jahren fragte sich die norwegische Regierung, wie man mehr Menschen in die Arktis bringen könnte. Eine dazu veröffentlichte bekannte Studie von Peter Norman propagierte dazu die Theorie «Hoch Drei»», meint Frederiksen im Interview weiter. «Diese besagt, dass es drei Dinge gibt, die dreifach vor Ort vorhanden sein müssen.» Das bedeutet, dass pro Person drei Arbeitsplätze, drei Häuser und drei potentielle Partnerinnen oder Partner vorhanden sein müssen.

Die demographische Entwicklung in arktischen Regionen läuft nach Ansicht von Mads Qvist Frederiksen in einer Spiral abwärts, an deren Ende nur noch ältere Menschen in der Arktis verbleiben. Foto: Michael Wenger

Doch das bedarf grösserer Investitionen in Infrastrukturen, die nicht nur Arbeitgeber anziehen, sondern auch das Alltagsleben besser, einfacher und nachhaltiger gestalten, meint er. Ausserdem müsse auch ein positiveres Bild von den arktischen Regionen und ihren Orten vermittelt werden, sogenanntes Branding betreiben und auch in die Kultur und Kunst investiert werden, um junge Menschen davon abzuhalten, ihr Zuhause zu verlassen. «Wir müssen dafür nicht härter in der Arktis dafür arbeiten, sondern schlauer. So verhindern wir eine Abwanderung», ist Frederiksen, der selbst in Tromsø lebt und arbeitet, überzeugt.

Auf die Frage, welche Sektoren in der Zukunft eine wirtschaftliche Rolle spielen würden, und welche Faktoren gestärkt werden müssten, sieht Mads Qvist Frederiksen einerseits die traditionellen Wirtschaftszweige wie Fischerei und Ressourcenabbau weit vorne, aber in einer moderneren und nachhaltigeren Art und Weise. Auf der anderen Seite werden aufstrebende Zweige wie Tech-Firmen oder verschiedenste Dienstleistungsunternehmen, aber auch die Forschung die Arktis als Arbeitsort verändern. Dazu müssen aber auch sowohl politische wie auch gesellschaftliche Veränderungen ebenfalls vonstattengehen. «Ich denke, dass wir einsehen müssen, dass der Arbeitsmarkt sich ebenfalls verändert und die Menschen nicht mehr auf dieselbe Weise arbeiten wollen wie früher», sagt Frederiksen. Mehr Gleichstellung und Einbindung der Geschlechter und vor allem der indigenen Bevölkerung sind zwingend notwendig, um Chancen und Möglichkeiten in der Arktis auch in Zukunft zu gewährleisten und den Wandel in eine positive Richtung für die Menschen zu bringen.

Text & Gestaltung: Dr. Michael Wenger, Polar Journal AG / Interview: Radio Arctic

Wer das Interview von Radio Arctic mit Mads Qvist Frederiksen im Ganzen hören möchte, findet es hier (in Englisch). Dabei werden auch Informationen über die geplante neue Plattform „Polar Jobs“ im Gespräch mit mir erklärt.

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