Kunst und Forschung horchen Eisberge in der Arktis aus | Polarjournal
Während Buckelwale bereits bekannte «Sänger» in der Arktis sind, will man Eisbergen und der Davisstrasse akustisch auf die Spur kommen. Das zumindest ist der Plan von Forschenden des Woods Hole Oceanographic Institutes WHOI und einer irischen Künstlerin. Bild: Michael Wenger

Die Unterwasserwelt ist nicht unbedingt ein Ort der Ruhe und Stille. Unter der Oberfläche der Ozean geht es mitunter sehr laut zu und her. Denn im Wasser wandert der Schall weiter und schneller als in der Luft und trägt somit Geräusche auch in die abgelegensten Regionen wie beispielsweise in arktische Gewässer. Und vieles davon ist nicht natürlich, sondern durch den Menschen verursacht. Im Zuge einer Expedition zur Erforschung von Lärm in einem arktischen Gewässer haben sich nun Forschung und Kunst zusammengetan.

In den vergangenen vier Wochen sind verschiedene Forschungsteams, unter anderem des Woods Hole Oceanographic Institute WHOI und die irische Künstlerin Siobhán McDonald in der Davis-Strasse zwischen Kanada und Grönland unterwegs gewesen und haben Unterwassermikrofone und andere Messgeräte ausgebracht. Das Ziel ist es, einerseits mehr über die Auswirkungen von Lärm in der Wasserstrasse auf Wale und andere Meeresbewohner zu erfahren und Daten über die Geräusche überhaupt zu sammeln. Andererseits will Siobhán McDonald die Klänge von schmelzenden Eisbergen und andere Unterwassergeräusche aufnehmen und sie zu einem akustischen Kunstwerk zusammenstellen und so auf den menschlichen Einfluss durch Lärm und Klimawandel aufmerksam machen.

In der Davis-Strasse zwischen Kanada und Grönland treiben viele Eisberge, die meist von den Gletschern Grönlands stammen. Sie beeinflussen sowohl die Nährstoffmenge in den Gewässern wie auch den Wasserchemismus und sind auch für die Schifffahrt eine Herausforderung. Bild: Michael Wenger

Sowohl der arktische Teil Kanadas wie auch Grönland sind beide auf der einen Seite stark von den klimatischen Veränderungen in der Arktis betroffen, was sich auch im Verlust der Eismassen auf den Inseln und dem Eisschild Grönlands widerspiegelt. Durch die zahlreichen Kalbungen und Bildung von Eisbergen werden Unmengen von Süsswasser in die Davisstrasse transportiert. Wenn diese Eisberge abschmelzen, verändert sich der Salzgehalt des Wassers. Dies, zusammen mit den steigenden Temperaturen des Ozeans, beeinflusst die akustischen Eigenschaften im Wasserkörper, was wiederum Auswirkungen auf Wale und andere Meeresorganismen hat. Diesen Veränderungen sind Forschungsteams bei ihren Arbeiten auf der Spur und haben dazu in der Davisstrasse fünf Hydrophone an Bojen ausgesetzt, die in den kommenden zwei Jahren stündlich Daten aufnehmen und 2024 wieder eingesammelt werden. Das Ganze ist Teil eines Beobachtungsprojektes des WHOI, bei welchem in den Eingangsbereichen in den Arktischen Ozean Daten über den Süsswasser- und Wärmeeintrag gesammelt und miteinander verglichen werden soll. Neben den Hydrophonen wurde noch zwölf weitere Bojen mit Messgeräten ausgesetzt.

Mit an Bord während des ganzen vier Wochen war auch die irische Künstlerin Siobhán McDonald. Die in den USA geborene Künstlerin will mit ihren Arbeiten Forschung und Kunst verbinden und nach eigenen Angaben das Anthropozän und die jüngsten Folgen des menschlichen Umgangs mit der Natur erforschen und darstellen. Dazu sammelte sie Eindrücke und Daten, um sich auf ihr neues Kunstprojekt vorzubereiten. Geplant ist, mit den von den Hydrophonen gesammelten Daten gemeinsam mit einem Komponisten eine Kunstinstallation aus Geräuschen, Gemälden und Plastiken zu erstellen und so den Leuten bei Ausstellungen den Einfluss von natürlichen und menschlich verursachten Geräuschen und dem sich erwärmenden Klima auf die Arktis näherzubringen.

Was man aus den Hydrophonen hört, sind Momentaufnahmen der Zeit. Sie sind wie eine Zeitkapsel.

Siobhán McDonald, Künstlerin

«Ich bin daran interessiert, die akustische Verschmutzung zu hören», erklärt sie in einem Interview mit der britischen Zeitung The Guardian. «Geräusche sind für die Tiere des Meeres und der Arktis von grundlegender Bedeutung. Das Gehör ist für die Kommunikation, die Fortpflanzung, die Ernährung und letztlich das Überleben von grundlegender Bedeutung. Es zeigt, wie wichtig es ist, auf die Verschmutzung zu achten, die wir für die Ökosysteme um uns herum verursachen.» Für sie sind die Geräusche und Töne, die von schmelzenden Eisbergen ausgehen, ein Gedächtnis der Ozeane an die Kippunkte, an denen die Veränderungen unumkehrbar sind und die wahrscheinlich auch schon überschritten worden sind. «Was man aus den Hydrophonen hört, sind Momentaufnahmen der Zeit. Sie sind wie eine Zeitkapsel.»

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Webseite von Siobhán McDonald

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