In den Weiten des Südlichen Ozeans sind nicht nur Wale auf der Suche nach Nahrung. Auch zahlreiche Seevögel, darunter der grösste Seevogel der Welt, der Wanderalbatros, sind konstant dort unterwegs. Doch das bringt sie mit einer weiteren Art in Konflikt, nämlich dem Menschen, der in den subantarktischen Gewässern auf der Jagd nach Fischen, Kalmaren und Krill ist. In den vergangenen Jahrzehnten hat dies zu einem massiven Rückgang der Wanderalbatrossen durch Beifang geführt. Eine Studie hat nun die Details genauer untersucht und dabei die Risikogebiete für die Vögel und mögliche Hauptschuldige entdeckt.
Wanderalbatrosse aus Südgeorgien mögen Fischereischiffe, besonders südkoreanische Langleinenfischereischiffe und argentinische Schleppnetzfischer im Bereich zwischen dem 40. und 60. südlichen Breitengrad und zwischen Patagonien und Südgeorgien. Und das bringt sie dort auch in den grössten Gefahrenbereich, als Beifang zu enden. Das ist das Ergebnis der Studie von Ana Carneiro von BirdLife International und Dr. Richard Phillips von der British Antarctic Survey, die gemeinsam mit vier weiteren Forscherinnen und Forscher diese Arbeit durchgeführt hatten. Die Studie wurde vor einigen Tagen in der Fachzeitschrift Biological Conservation veröffentlicht.
Dank den Satellitendaten von 251 besenderten Wanderalbatrossen in den verschiedensten Stadien (jung bis adult) konnten Carneiro und das Team die Gebiete identifizieren, in denen sich die Vögel auf der Suche nach Nahrung am meisten aufhalten. Durch die gleichzeitige Analyse von AIS (Automatic Identification System) der verschiedenen Schiffe wurde gezeigt, dass fast die Hälfte der Albatrosse sich im Umkreis von 5 Kilometern der Schiffe aufgehalten hatten. Die meisten «Besuche» erhielten dabei südkoreanische Langleinenfischer, argentinische Schleppnetzfischer und chinesische Kalmarfischer. Gerade bei den ersteren hielten sich die Vögel am längsten auf, was mit den bisherigen Daten, die man hatte, übereinstimmt.
Das Forschungsteam untersuchte auch, wo sich Wanderalbatrosse in ihren verschiedenen Lebensstadien am häufigsten auf Nahrungssuche begeben und ob sie dort einem erhöhten Risiko, als Beifang zu enden, ausgesetzt sind. Dabei zeigte sich, dass gerade erwachsene Tiere während der Brutzeit und später die frisch flügge gewordenen Jungvögel am häufigsten im Schelfbereich zwischen Patagonien und Südgeorgien unterwegs sind. Denn zu dem Zeitpunkt sind dort die Bedingungen für eine erfolgreiche Kalmarjagd am grössten. Doch das wissen auch die Fischereisschiffe, die dort ebenfalls unterwegs sind und damit eine potentielle Bedrohung besonders für unerfahrene junge Albatrosse darstellen.
Das Autorenteam weist in ihrer Arbeit zwar auf die Gefahren hin, die in den Gebieten durch die identifizierten Schiffe entstehen. «Jetzt, da wir die Flotten identifiziert haben, die das grösste Risiko für die Albatrosse von Südgeorgien darstellen, ist es wichtig, dass sich die Lobbyarbeit auf diese bestimmten Fischereinationen und die Schiffsbetreiber konzentriert», erklärt Richard Phillips. Aber zumindest im Bereich um Südgeorgien und den Falklandinseln sind die Zahlen von Wanderalbatrossen, die als Beifang ihr Leben verlieren, langsam rückläufig, dank einfachen und effektiven Abschreckungsmassnahmen der Fischereischiffe und dank stärkeren Kontrollen. Doch Wanderalbatrosse machen ihrem Namen alle Ehre und sind auf der Suche Nahrung in der Lage, in relativ kurzer Zeit lange Strecken zurückzulegen, was sie in Regionen bringt, in denen sich die Schiffe nicht um Schutzmassnahmen scheren. «Wir wissen, dass der Tod oder die Verletzung von Seevögeln in der Fischerei mit einfachen, aber sehr wirksamen Techniken vermieden werden kann», sagt Ana Carneiro. «Das Problem ist, dass die Einhaltung dieser Massnahmen in vielen Fischereien nicht kontrolliert wird.» Und damit steigt die Gefahr, dass die majestätischen Seevögel am Ende statt über die Weiten des Ozeans zu gleiten, darin sang- und klanglos ertrinken.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal