Diskussion um Erdöl entlang kanadischer Arktisküste | Polarjournal
Während in Alaska der Bohrstopp sich vor allem auf das ANWR Schutzgebiet beschränkt und weiter westlich weiter gefördert wird, herrscht an Kanadas arktischen Küsten ein komplettes Verbot, welches jetzt verlängert werden soll. Bild: US Geological Survey

Nicht nur an der Nordküste von Alaska gärt und brodelt es im und über dem Boden durch und wegen Erdöl und Erdgas. Auch etwas weiter östlich, entlang des Küstengebietes der Nordwest-Territorien (NWT) herrschen ähnliche Zustände. Denn seit 2019 die kanadische Regierung ein komplettes Bohr- und Förderverbot von Rohstoffen an der gesamten arktischen Küstenlinie des Landes ausgesprochen hatte, hofften Befürworter von Rohstoffförderungen auf das Jahr 2023, an dem das Verbot auslaufen sollte. Doch die die Regierung in Ottawa hat diese Hoffnung zerschlagen.

Ein 2019 ausgesprochenes Verbot für jegliche Öl- und Gasarbeiten im Offshore-Bereich entlang der arktischen Küsten Kanadas soll so lange in Kraft bleiben, bis der 2016 ausgesprochene Stopp der kanadischen Regierung zur Ausstellung von neuen Bohr- und Förderlizenzen für Erdöl und Erdgas aufgehoben werden wird. Das sagt das Ministerium für Beziehungen zwischen Staat und Autochtonen und Angelegenheiten des Nordens CIRNAC nach Berichten von kanadischen Medien. Da dieser Ausstellungsstopp der Regierung für unbestimmte Zeit gilt, dürfte auch das Verbot damit ebenso lange in Kraft bleiben. Der Beschluss des CIRNAC und der kanadischen Regierung kommt kurz dem geplanten Ende des Verbotes, welches ursprünglich für den 31. Dezember 2022 festgelegt gewesen war und nach Angaben des CIRNAC rund zwei Wochen davor verlängert worden war.

Zwar versuchen Länder wie Norwegen (im Bild: ENI-Plattform in der Barentssee), Russland und die USA, immer weitere Förderstellen in ihren Gewässern zu erschliessen. Doch Analysten sehen den Höhepunkt der Erdölindustrie sehr rasch nahen und danach wird es ebenfalls rasch bergab gehen. Kein guter Zeitpunkt, auf diesen Industriezweig zu setzen, meint die kanadische Regierung. Bild: ENI

Die Entscheidung des CIRNAC beruht auf der Einschätzung von Experten, dass sich eine Förderung der Rohstoffe nicht mehr lohnen würde und eine Aufhebung des Verbots keine Rolle mehr spielen wird. Denn nach ihren Einschätzungen würde es sogar mit einem sofortigen Bohrbeginn mehr als 15 Jahre brauchen, bis eine lohnenswerte Produktion einsetzen würde. Zu spät, da man davon ausgehe, dass die Nachfrage nach Erdöl und Erdgas in den nächsten Jahren drastisch sinken werde und niemand mehr das im NWT geförderte Öl brauchen würde. Denn in der Region fehlt es an allem, was es brauchen würde, um die Produktion anzukurbeln. Erst müssten Probebohrungen durchgeführt werden, dann die Infrastruktur so gebaut werden, dass die sehr hohen Umweltauflagen eingehalten werden können und danach kann mit der Förderung begonnen werden, ohne jedoch einen garantierten Erfolg. Frühere Versuche in den 1970er und 80er Jahren waren wirtschaftlich nicht sehr erfolgreich. Trotzdem hat die Regierung eine Studie in Auftrag gegeben, die Durchfürbarkeit und den Umwelteinfluss von arktischen Offshoreprojekten in der Region zu untersuchen.

In den Nordwest-Territorien wird nur an zwei Orten mitten im Land Öl und Gas gefördert, wobei die Fördermenge knapp 0.1 Prozent der gesamten Fördermenge Kanadas ausmacht. Experten schätzen aber, dass bis zu 35 Prozent der ganzen Öl- und Gasmengen Kanadas unter dem Boden und im Offshorebereich nahe Tuktoyaktuk des NWT liegen könnten. Karte: Michael Wenger

Doch Befürworter von möglichen Bohr- und Förderplänen teilen die Einschätzung nicht und sind über die Entscheidung des CIRNAC sehr enttäuscht. Ihre Argumente für eine Aufhebung des Verbots sind auch dieselben, die in Alaska geäussert werden: Arbeitsplätze in einer chronisch unterentwickelten Region und damit wirtschaftlichen Aufschwung. Ihrer Meinung nach sollte die Entscheidung den Firmen überlassen werden, ob man dort fördern solle oder nicht. Gegenwärtig liefert nur eine Stelle in den NWT nennenswerte Mengen an Erdöl und Erdgas, die Norman Well. Die geförderten Rohstoffe werden aber nicht mehr selber raffiniert, sondern via Pipeline weitergeleitet. Und diese Mengen sind bezogen auf die Gesamtfördermenge Kanadas mit rund 0.1 Prozent sehr gering. Dabei hätte die Region nach Einschätzung von Analysten durchaus Potential: Bis zu 35 Prozent der gesamten Erdöl- und Erdgasmengen Kanadas könnten im Boden des NWT liegen, besonders im nördlichen Bereich, dessen Verwaltung den dortigen Inuit-Bevölkerung obliegt. Im Mai soll eine Konferenz in Vancouver zum Thema durchgeführt werden, die Möglichkeiten und Potentiale aufzeigen sollen.

Durch Raffinerien und Pipelines, die mitten in der Tundra stehen, könnte das empfindliche Ökosystem dort stark gefährdet sein. In der jüngsten Vergangenheit wurden immer wieder lokal Gebiete durch Lecks und geborstene Pipelines verschmutzt und stark geschädigt. Bild: dvs Wiki Commons CC BY-SA 3.0

Ein weiterer Aspekt ist die Gefahr für die Umwelt, in den Gebieten nach Rohstoffen zu bohren. Die Kosten, die Firmen für Umweltsicherheit, Versicherungen und andere Massnahmen zum Schutz der Umwelt investieren müssten, seien für viele grosser Firmen den Aufwand nicht wert, meinen Experten. Doch auch hier sind die lokalen Vertreter anderer Meinung und weisen auf die technischen Möglichkeiten zur Überwachung und Schutzmassnahmen hin, die bereits existieren und eine Möglichkeit bieten würden, sowohl vom Land zu leben, wie sie immer schon getan haben und gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung durch Rohstoffförderung anzukurbeln. Man hofft nun auf die Ergebnisse der Studie und dass diese zeigen werde, dass es sich lohnen würde und auch sicher durchgeführt werden kann, Erdöl und Erdgas entlang der arktischen Küste Kanadas zu fördern. Auch die Regierungschefin Caroline Cochrane will erst die Studie abwarten und danach über das weitere Vorgehen entscheiden, egal wie es ausgeht. Den Medien gegenüber erklärt sie: «Ich denke, das ideale Resultat für die Nordwest-Territorien wird sein: Nichts über uns ohne uns.»

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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