Sorge um US-arktische Feuchtgebiete nach Gerichtsurteil | Polarjournal
Die staatlichen Umweltbehörden Alaskas sind nun für den Schutz der Tundra-Landschaften und anderer Wasserstraßen zuständig, die nicht mit schiffbaren Gewässern verbunden sind. Foto: Andrea Pokrzywinski via Wikimedia Commons / Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0)

Nachdem der Oberste Gerichtshof die bisherige Definition eines Bundesgewässers verworfen hat, ist es nun Sache der US-Bundesstaaten zu bestimmen, wie Feuchtgebiete geschützt werden sollen.

Vergangene Woche urteilte der Oberste Gerichtshof der USA im Sinne eines Ehepaares aus Idaho, das gegen die Environmental Protection Agency (EPA), die Umweltschutzbehörde der USA, und deren Definition von Feuchtgebieten geklagt hatte. Der Ausgang des Verfahrens ist für alle US-amerikanischen Bundesstaaten von Bedeutung. Insbesondere in Alaska, wo sich mehr als die Hälfte der amerikanischen Feuchtgebiete befinden, könnte damit die Tür für bislang nicht genehmigungsfähige wirtschaftliche Projekte geöffnet worden sein.

Alaskas Tundra ist übersät mit Feuchtgebieten, kleinen Tümpeln, Teichen und anderen Wasserlöchern. Und all diese gelten gemeinsam mit Küsten- und Fließgewässern, Seen, Sümpfen und Feuchtwiesen als «Waters of the United States», Gewässer der Vereinigten Staaten, und unterliegen dem «Clean Water Act» von 1972.  Die Biden-Administration weitete dieses Gesetz für einen besseren Schutz der Gewässer Anfang diesen Jahres noch aus. Doch bezüglich der Frage, was genau als «Waters of the United States» gilt, muss diese neue Verordnung nun dem Urteil des Supreme Court entsprechend angepasst werden. Auf ihrer Webseite schreibt die EPA dazu: «In Anbetracht dieser Entscheidung werden die Behörden den Begriff „Gewässer der Vereinigten Staaten“ im Einklang mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs auslegen […].»

Demnach fallen laut Alaska Beacon nur noch die Feuchtgebiete unter das Gesetz, die eine «kontinuierliche Oberflächenverbindung» zu schiffbaren Gewässern wie Bächen, Flüssen, Seen und Ozeanen aufweisen, so die Erklärung des Richters Samuel Alito. Die neue Verordnung der Biden-Administration besagte hingegen, dass ein Gebiet mit einer ökologisch «signifikanten Verbindung» zu einer schiffbaren Wasserstraße dem Clean Water Act unterliegt. Doch diese Definition würde fast alle Gewässer und Feuchtgebiete des Landes unter die Bundesgerichtsbarkeit stellen, mit wenig Raum für die Durchsetzung durch die Bundesstaaten, erklärte Alito. 

Ein kleiner Teich wie dieser ohne oberflächliche Verbindung zu einem schiffbaren Gewässer unterliegt dem Urteil zufolge nicht mehr dem Clean Water Act. Foto: Eric Vance, EPA

Der Staat Alaska hatte im Laufe des Verfahrens eine die Klage unterstützende Stellungnahme eingereicht, die sogar Ausnahmeregelungen für besondere Feuchtgebiete wie Permafrost forderte. Alaskas Gouverneur Mike Dunleavy zeigte sich in einer Erklärung äußerst zufrieden mit der Entscheidung des Gerichts: «Der Gerichtshof hat die richtige Entscheidung getroffen, indem er die Zuständigkeit des Bundes für Feuchtgebiete eingeschränkt und die Entscheidungsbefugnis wieder in die Hände der Staaten gelegt hat. Dieses Urteil wird die Art von verantwortungsvoller Entwicklung fördern, für die sich meine Regierung in Alaska einsetzt.»

«Dank des heutigen Urteils besteht kein Zweifel daran, dass Alaska wieder für die Wirtschaft offen ist», fügt Gouverneur Dunleavy hinzu.

Seit Jahrzehnten herrschte Unklarheit darüber, was als «Waters of the United States» gilt. Auch im Rechtsstreit des Ehepaars aus Idaho gegen die EPA, der bereits im Jahr 2008 begann, ging es darum. Sie wollten auf ihrem Grundstück in unmittelbarer Nähe zum Priest Lake in Idaho bauen, ohne eine kostspielige Genehmigung der Bundesbehörde dafür einholen zu müssen. 

Umweltschützer sind alarmiert

Für den Schutz der Feuchtgebiete in Alaska bedeutet dieses Urteil möglicherweise nichts Gutes. Der Staat kann zwar nach wie vor eigene, strengere Regeln zur Bewahrung der Feuchtgebiete vor Verschmutzung erlassen, allerdings hat die republikanische Regierung von Alaska unter Mike Dunleavy vor allem die wirtschaftliche Entwicklung im Blick.

Umweltschützer wie Janette Brimmer, leitende Anwältin der Umweltrechtskanzlei Earthjustice, befürchten, dass nun Tür und Tor offen stehen für große Industrieprojekte. «Vermutlich werden die Bauindustrie, die Bergbauindustrie und die Agrarindustrie sehr daran interessiert sein, weil es das ist, was sie angestrebt haben», so Brimmer, die gegen die Auffassung des Staates Alaska argumentiert hatte.

Die unzähligen kleinen Teiche und Seen, die zum Beispiel die Hauptarme der großen Flüsse wie Yukon oder Kuskokwim säumen, sind nicht oberirdisch mit diesen verbunden und gelten seit dem Urteil als «isolierte Feuchtgebiete». Das heißt, selbst wenn sie unterirdisch mit dem Fluss in Verbindung stehen, fallen sie jetzt wahrscheinlich nicht mehr unter die EPA-Vorschriften.

«Es ist, als hätte es die Wissenschaft der Hydrologie nie gegeben», kritisiert Brimmer die Entscheidung.

Vögel wie der Gelbschnabeltaucher könnten unter dem Urteil des Obersten Gerichtshofs leiden, wenn ihr Lebensraum durch die Ansiedlung von Industrie verschmutzt wird. Foto: Michael Wenger

Feuchtgebiete sind nicht nur wichtige Lebensräume und Rastplätze für Vögel, sondern auch «so etwas wie die Nieren unseres Ökosystems», so Dyani Chapman, Direktorin des Alaska Environment Research and Policy Center. Sollte es zu Verunreinigungen kommen, kann dies  verschmutztes Trinkwasser zur Folge haben und den Fischen in nahe gelegenen Gewässern schaden.

Da der EPA mit der Entscheidung Verantwortung entzogen wird, übernimmt der Staat nun eine größere Rolle. Damit könnte sich auch die finanzielle Lage der staatlichen Umweltbehörden verschlechtern. «Ich mache mir Sorgen, dass wir einige dieser Bundesmittel verlieren, mit denen wir sicherstellen können, dass wir uns um unser Trinkwasser, unsere Fische und unseren Lebensraum kümmern», sagt Chapman.

Julia Hager, PolarJournal

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