Hitzewellen im Arktischen Ozean | Polarjournal
Die meisten Bereich der Weltmeere, besonders die polaren Ozeane, waren am 22. Juli bis zu 5°C wärmer als der Durchschnitt zwischen 1991 – 2020, wie die Karte der NOAA zeigt (Grafik: NOAA)

In vielen Ländern Europas, in Teilen der USA und Kanada und auch in weiten Teilen Russlands herrscht zurzeit eine enorme Hitzewelle. Wer glaubt, dass ein Sprung ins Meer dabei Abkühlung liefert, wird dabei enttäuscht, denn die Ozeane sind ebenfalls von einem bisher nie dagewesenen Wärmeanstieg betroffen. Und dieser zieht sich schon seit Mai/Juni bis in den Arktischen Ozean.

Ein Blick auf die aktuellste Übersichtskarte der NOAA für die Temperarturabweichungen der Meeresoberfläche vom langjährigen Mittel zeigt weite Teile der Ränder des Arktischen Ozeans in Farben von gelb bis dunkelrot aufleuchten. Am stärksten betroffen sind das westliche Ende der Nordwestpassage, Teile der Laptev- und der Karasee und der Nordwesten Svalbards, wo jeweils eine Abweichung von +5°C vom langjährigen Durchschnitt 1991 – 2020 gemessen worden ist. Nur gerade die Diskobucht in Grönland und der Nordosten von Island zeigen niedrigere Temperaturen als normal. Auch im Südlichen Ozean sind die meisten Bereiche wärmer als bisher, wenn auch nicht im gleichen Mass wie im Norden. Insgesamt setzt sich aber damit ein Trend fort, der schon seit Monaten die Expertinnen und Experten stark besorgt.

Die Tatsache, dass die Ozeane immer wärmer werden, ist per se nichts Neues. Doch was die Satelliten und Messstationen in den vergangenen Wochen gemeldet hatten, erschreckt Expertengruppen überall auf der Welt: Kaum eine Region, die nicht seit Mai kontinuierlich überdurchschnittlich hohe Wassertemperaturen melden, viel zu früh gemäss der European Space Agency: «Die im letzten Monat beobachteten Durchschnittstemperaturen sind eher typisch für den Spätsommer. Vor Juni 2023 wurden solche Temperaturen im ERA5-Datensatz (siehe unten) seit 1979 frühestens gegen Ende Juli beobachtet.»

Auch in der Arktis wurden Wassertemperaturen gemessen, die in ihrem Ausmass derart hoch waren, dass die National Oceanic and Atmospheric Administration NOAA lokal die höchste Stufe im Bereich «Hitzewellenüberwachung» ausgerufen hatte (Kategorie 5 = «Beyond Extreme»). Diese Extremereignisse wiederholen sich seither fast täglich, ein Ende ist nicht abzusehen.

Auch der Südliche Ozean weist schon seit letztem Jahr eine überdurchschnittlich hohe Wassertemperatur auf, wie die World Meteorlogical Organisation WMO schreibt. Vor allem die Westküste der antarktischen Halbinsel, der Bereich des Weddellmeeres und die Ostküste im australischen Sektor sind seit Juli 2022 rund 2°C wärmer gewesen, Teile des Pazifischen Bereichs jedoch kühler.

Sommer, Sonne, Svalbard. Wer im Juni Svalbard besucht hat, profitierte von enorm warmen Bedingungen. Lange währende, starke Hochdruckgebiete, die durch einen verschobenen Jetstream entstanden sind, unterstützten die weitere Erwärmung der Wassermassen. Bild: Mirjana Binggeli

Als unmittelbare Gründe für die überdurchschnittliche Erwärmung geben Expertinnen und Experten die fehlenden Winde über dem Meer an, die das Durchmischen von Wassermassen verhindern und die Erwärmung verstärken. Gleichzeitig fehlt der Saharastaub in der Atmosphäre, der normalerweise die Sonneneinstrahlung streut und Teile der Strahlung reflektiert. Zusätzlich hat sich der Jetstream verschoben und grosse Hochdruckgebiete entstehen lassen, die ebenfalls die Erwärmung beschleunigt haben.

Langfristig machen die Expertengruppen jedoch die globale Klimaerwärmung und die über mehrere Jahrzehnte andauernden Schwankungen der nordatlantischen Zirkulation und des damit verbundenen Wärmetransports mitverantwortlich. Diese Schwankungen werden ebenfalls durch die Klimaerwärmung und eigene, natürliche Schwankungen verursacht.

Die arktische Meereissaison war bisher nicht so schlimm wie in früheren Jahren verlaufen. Doch die höheren Temperaturen haben nun das Meereis im Nordwesten und Norden Svalbards und entlang der grönländischen Küste rasch abschmelzen lassen. (Symbolbild: Mirjana Binggeli)

Die Auswirkungen der Hitzewelle in weiten Teilen des arktischen und des südlichen Ozeans sind einerseits die extremen Wetterereignisse wie verstärkte Hurrikan-Aktivitäten, extreme Regenfälle und Gewitter in Europa mit gleichzeitigen Hitzewellen. Auch die weitverbreitenden Busch- und Waldbrände sind mit den Ereignissen in den Ozeanen verbunden.

Auf der anderen Seite sind schnellere Meereisschmelzen, bzw. das Nichtbilden von Meereis in Teilen der Antarktis auf die höheren Temperaturen zurückzuführen. Tatsächlich war die diesjährige Arktissaison in Sachen Meereis etwas besser als in den Jahren zuvor. Doch in den vergangenen Wochen schmolz nun das Meereis auch im Norden Svalbards ziemlich rasch und sogar weite Teile der ostgrönländischen Küste brechen nun rasch auf. Auf der anderen Seite, an den Küsten Alaskas und im westlichen Nunavut ist das Eis komplett verschwunden. Auch in der Tschuktschensee, Teilen der Laptev- und in der Karasee sucht man Meereis vergebens.

Die Antarktis auf der anderen Seite steuert auf einen neuen Negativrekord hin, denn bereits jetzt fehlen mehr als 2.5 Million Quadratkilometer Eis im Durchschnitt und die gegenwärtige Ausdehnung ist 1.6 Millionen Quadratkilometer niedriger als beim letzten Negativrekord 2022. Welche Auswirkungen dieses fehlende Meereis auf die Ökosysteme und die Bewohner der Antarktis hat, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwer abzuschätzen.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Mehr zum Thema

Print Friendly, PDF & Email
error: Content is protected !!
Share This