Machen Schlittenhunde Svalbard grüner? | Polarjournal
Im Winter sind Hundeschlitten neben den Schneescootern die besten Fortbewegungsmittel. Wenn Hunde dann ihr Geschäft verrichten (vorne rechts), gelangen die Nährstoffe davon in den Boden und liefern Nahrung für Pflanzen und Mikroorganismen. Bild: Michael Wenger

Eine Tierart, die auf Svalbard neben den üblichen arktischen Bewohnern ebenfalls lebt, ist der Hund. Mehr als 1’000 der Vierbeiner leben auf dem Archipel und waren einst die wichtigsten Fortbewegungsmittel. Mittlerweile aber vor allem für touristische Aktivitäten eingesetzt, scheint der beste Freund des Menschen aber auch einen ökologischen Einfluss auf die Region zu haben, wie eine neue Studie zeigt: Sie scheinen die arktische Tundra grüner zu machen.

Mehr Nährstoffe im Boden, wahrscheinlich dank Hundefäkalien und Hundenahrung, führen zu einer höheren Produktivität rund um die Gebiete, in denen Tierhaltung auf Svalbard betrieben wird. Das ist das Ergebnis einer Studie eines internationalen Forschungsteams angeführt von Dr. Kristine Bakke Westergaard und Dr. Jesamine Bartlett vom Norwegischen Institut für Naturforschung NINA. Damit wird die Vegetation an diesen Stellen schneller und länger grün, was wiederum einen Einfluss auf die Organismen haben kann, die an solchen Stellen gefunden werden. Die Ergebnisse der Studie sind aber noch nicht von Experten begutachtet und in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden, sondern liegen als sogenannter Preprint bei EcoEvoRxiv auf. Der Begutachtungsprozess soll noch durchgeführt werden.

Grüneres Svalbard durch Tierhaltung

Für die Studie betrachtete das Autorenteam die Entwicklung von Pflanzenflächen an Orten mit Tierhaltung auf Svalbard und verglichen sie mit natürlichen Orten mit und ohne erhöhtem natürlichen Nährstoffeintrag. Dazu zählen beispielsweise Vogelfelsen bzw. -kolonien wie der Alkornet am Eingang des Isfjords. Insgesamt 31 Stellen auf der Westseite der Hauptinsel Spitzbergen wurden von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausgesucht. Darin enthalten waren 12 aktive Hundezwinger, vier frühere Tierhaltungsstellen in den bewohnten Orten Svalbards, ein Pferdestall (nahe dem Flughafen in Longyearbyen), sechs Vogelfelsen und acht verschiedene Tundragebiete als Vergleichsstellen.

Um feststellen zu können, ob die von Menschen und Haus-/Nutztieren beeinflussten Orte tatsächlich grüner sind als die Vergleichsstellen, untersuchte das Team Satellitenbilder der letzten vierzig Jahre auf die Intensität von Grün mittels speziell entwickelter Software und erstellte eine Zeitreihe der Grün-Entwicklung an den Orten. «An den Seevogelklippen und den Tundra-Referenzstandorten hat der Grünanteil der Vegetation in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen, allerdings nicht so schnell wie an den Standorten mit Tierhaltung,» kommt das Team zum Ergebnis des Vergleichs. Das zeigt, dass neben den steigenden Temperaturen auch der Nährstoffeintrag beinahe überall zugenommen hat.

Ein weiteres Ergebnis der Untersuchungen betraf den Start der Begrünung jedes Jahr und die Dauer. «Wir beobachteten an allen Standorten eine Verschiebung hin zu einem früheren Ergrünen und eine leichte Verschiebung hin zu einer späteren Alterung», schreiben die Autorinnen und Autoren dazu.

Schlittenhunde düngen nicht nur die Gebiete rund um die Zwinger, sondern schützen indirekt Wildvögel vor Räubern, was den Düngeeffekt durch die Zahl der Vögel erhöht. Doch das birgt auch grosse Risiken wie Krankheitsübertragungen durch die Nähe zu Mensch und Tier. Bild: Michael Wenger

Hundezwinger bringen Vorteile und Risiken

Das Forschungsteam ist der Meinung, dass neben dem direkten Düngeeffekt durch die Fäkalien und Nahrungsmittel auch ein indirekter Schutz von Wildvögeln wie Gänsen und Enten eine Rolle spielen dürfte. Denn diese kommen vermehrt durch den Schutz angelockt nahe an die Zwinger, um dort zu fressen und auch zu brüten, was zu einer Verstärkung der Düngung führen könnte.

Doch da die Studie nur die Begrünung der Stellen betrachtet hat, warnt das Autorenteam vor zu raschen direkten Schlussfolgerungen. Weitere direkte Untersuchung der Stellen zur chemischen Zusammensetzung des Bodens, ein Vergleich der Pflanzengemeinschaften und deren Artzusammensetzung und physikalische Datenvergleiche erachten die Forschenden als zwingend notwendig, um die Ursachen der stärkeren Begrünung bestimmen zu können. Denn es stellt sich die Frage, ob die Begrünung in direkter Verbindung zu den Ausscheidungen steht oder ein Resultat kontinuierlicher Nährstoffzufuhr ist.

Ausserdem warnen sie auch vor Risiken, die von den Hundezwingern und ihren Bewohnern ausgehen könnten. Dazu zählen sie vor allem Schadstoffeinträge, Überdüngung und das Ausbreiten von nicht einheimischen Pflanzenarten, die an solchen Orten viel häufiger vorkommen, auf. Ausserdem besteht das Risiko von Krankheitsübertragungen von den Wildvögeln auf die Hunde und umgekehrt, ein Aspekt der im Hinblick auf die grassierende Vogelgrippewelle besonders wichtig ist.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: Gallois et al (2023) Preprint EcoEvoRxiv, Paws for thought: Impacts of animal husbandry on tundra 2 greening in High Arctic Svalbard

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