Mit Schweizer Hi-Tech das antarktische Meereis untersuchen | Polarjournal
Das SnowMicroPen® des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF wurde entwickelt, um die Mikrostrukturen von Schnee sichtbar zu machen. Denn diese bestimmen, mit anderen Faktoren, die physikalischen Eigenschaften der Schneedecke und damit auch das Verhalten gegenüber äusseren Einflüssen. Bild / Grafik: Juerg Schweizer / SLF

Die Tatsache, dass in diesem Jahr die Ausdehnung des antarktischen Meereises einen massiven Negativrekord aufgestellt hat und schon seit einigen Jahren immer weniger wird, hat die Forschungswelt aufgeschreckt. Ein internationales Projekt will nun mit verschiedenen Methoden vom Weltall bis zur Mikrostruktur von Eis und Schnee mehr über diesen Verlust herausfinden. Mit dabei ist auch ein Hi-Tech-Gerät, welches in der Schweiz entwickelt wurde und bereits in der Arktis für Antworten sorgte.

Das SnowMicroPen®, den das Forschungsteam unter der Leitung der Universität von Canterbury in Neuseeland, einsetzen wird, wurde am Eidgenössischen WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung entwickelt und ist mittlerweile in der fünften Version erhältlich. Das Gerät wurde vom emeritierten Leiter des Instituts, Dr. Martin Schneebeli in Zusammenarbeit mit Dr. Jerome B. Johnson bereits 1998 entwickelt. Damals entdeckten die beiden Forscher, dass Mikrostrukturen verschiedener Schneearten die physikalischen Eigenschaften unterschiedlicher Schneeschichten massgeblich mitbestimmen. Um diese Strukturen sichtbar zu machen, entwickelten sie das SnowMicroPen®, welches den Eindringwiderstand der Sonde in den Schnee misst und dadurch die Schichtungen darstellen kann. Diese wiederum bestimmen, wie die Schneedecke als Ganzes auf äussere Einflüsse wie Sonneneinstrahlung und Temperaturunterschiede reagiert und ob und wie die Schneedecke als Isolations- und Reflektionsmaterial agiert.

Das Video erklärt die Funktionsweise des SnowMicroPen(R) (Video: Eidgenössische Forschungsanstalt WSL)
Das SnowMicroPen(R) kann auf einem Schlitten auf dem Meereis transportiert werden, wie bei der MOSAiC-Expedition. Bild: Mario Hoppman, AWI

Das knapp 7 Kilo schwere Gerät besteht aus zwei Teilen, einer mechanischen Einheit mit Sonde, Stäben und Motor, und einer Kontroll- bzw. Messeinheit, die auf einer Pulka, einem Schlitten, zu den Messstandorten gezogen werden kann. Die Sonde misst den Widerstand während der Motor sie mit rund 20 Millimeter/Sekunde durch die Schneeschichten schiebt. Die dabei gemessenen Daten werden danach ausgewertet und visuell in einer Art Scan-Modell dargestellt. Die Auflösung beträgt dabei 4 Mikrometer, was einen bisher nie gekannte Detailreichtum der Schneestrukturen erlaubt. Forschende können mit dem SnowMicroPen® bis zu 2.2 Meter dicke Schneedecken untersuchen, was auf dem Meereis durchaus ausreicht. Dank dem Gerät entfällt das Graben von Schneegruben zur Bestimmung von Schneeschichten.

Die Schneephysikerin Dr. Amy Macfarlane, die als Erste das neue Mawson-Mertz-Stipendium erhalten hat, weilt seit September in Australien und arbeitet zusammen mit Dr. Petra Heil von der Australian Antarctic Division als Teil des internationalen Forschungsteams, welches die Hintergründe für den massiven Meereisverlust rund um Antarktika untersucht. «Ich werde historische und moderne Datensätze über die Mikrostruktur des Meereises und des Schnees finden und zusammenstellen, die auf Reisen in der Antarktis gesammelt wurden“, erklärt Dr. Macfarlane. «Mein Ziel ist es, diese Datensätze in ein Format zu bringen, das jeder nutzen kann, um ihren Wert und ihre Anwendung in der zukünftigen Forschung zu erhöhen. Ich werde auch untersuchen, wie die Schneemikrostruktur die Albedo in der Antarktis beeinflusst und wie gut dieser Prozess in Klimamodellen dargestellt wird.» Dabei kann Dr. Macfarlane auf einen grossen Erfahrungsschatz zurückgreifen, denn im Rahmen ihrer Dissertation verbrachte sie sieben Monate als Teil der MOSAiC-Expedition in der Arktis und sammelte unzählige, wichtige Daten zur Schneedecke auf dem Meereis des Arktischen Ozeans.

Sean Chua von der Australian Antarctic Division wird das SnowMicroPen® des SLF im Rossmeer einsetzen. Damit fügt sich ein weiteres Puzzleteil in die erfolgreiche Zusammenarbeit Australiens mit der Schweiz in Sachen Antarktisforschung, die ihren Anfang vor über hundert Jahren nahm, als Xavier Mertz an der Expedition von Sir Douglas Mawson teilnahm und als erster Schweizer Antarktika betrat. Bild: Simon Payne, AAD

Dr. Macfarlane unterstützt dabei ihre australischen Kollegen wie Sean Chua, der ebenfalls Teil des internationalen Teams ist. Er wird das Gerät im Rossmeer in dieser Saison einsetzen. «Ich werde Teil eines Bodenteams sein, das Messungen der Meereisdicke und der Schneedicke entlang eines Transekts über dem Meereis vornehmen wird, um die gleichzeitigen Luft- und Satellitenmessungen über dem Untersuchungsgebiet zu validieren und zu kalibrieren», erklärt er. Geplant ist, diese Messungen mit dem Überfliegen durch ein Flugzeug derselben Standorte zu paaren. Das Flugzeug trägt dabei das EMBird, eine Art Radar, welches mithilfe von elektromagnetischen Wellen die Schnee- und Eisdicke des Meereises misst. Ausserdem sollen die Messergebnisse mit Satellitendaten kombiniert werden, um die grösstmögliche Fläche des Meereises abdecken zu können. «Die Idee ist, dass man, sobald man einen guten Datensatz zur Kalibrierung vom Boden aus hat, eine Kampagne fliegen kann, die Hunderte von Kilometern Meereis pro Tag abdeckt, ohne dass weitere Messungen vom Boden aus nötig sind“, erklärt Dr. Petra Heil.

Am Ende, so hofft man, werden die Daten zeigen, ob der in diesem Jahr beobachtete Verlust nur ein Ausreisser war, oder ob das antarktische Meereis nun auch das Schicksal des Westantarktischen Eisschelfs teilt, welches unumkehrbar der globalen Erwärmung zum Opfer fallen wird.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Webseite des SLF und des SnowMicroPen(R)

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