Dem Walfang fielen deutlich mehr Finnwale zum Opfer als angenommen | Polarjournal
Finnwale sind die zweitgrößten Wale nach den Blauwalen. Mit Beginn des industriellen Walfangs im 20. Jahrhundert waren sie die weltweit am stärksten bejagten Wale. Foto: Julia Hager

Der Walfang im 20. Jahrhundert hat 99 Prozent der «effektiven» Finnwalpopulation im Nordostpazifik ausgelöscht, wie neueste genetische Untersuchungen zeigen.

Ein Forschungsteam der University of California Los Angeles nahm zwei Populationen von Finnwalen im östlichen Nordpazifik und im Golf von Kalifornien genau unter die Lupe, indem es das gesamte Genom von 50 Finnwalen analysierte. Ziel der Studie war, ihre Geschichte und die Auswirkungen natürlicher und vom Menschen verursachter starker Populationsrückgänge, die zu sogenannten genetischen Flaschenhälsen führen, besser zu verstehen. 

Das Team berichtet in der Fachzeitschrift Nature Communications, dass während des Walfangs im 20. Jahrhundert nicht wie bisher angenommen 70 Prozent der Population im Nordostpazifik getötet wurden, sondern 99 Prozent. Bevor die industriellen Walfänger im 20. Jahrhundert ihren Fokus auf die großen Finn- und Blauwale verlagerte, umfasste die «effektive», also fortpflanzungsfähige Population der Finnwale demnach über Jahrtausende knapp 24.000 Tiere. Nach dem Ende des Walfangs in den 1980er Jahren waren es gerade noch 305 Finnwale.

Aber die Forschenden haben auch eine gute Nachricht: Trotz dieser fast völligen Auslöschung der Population im östlichen Nordpazifik ist die genetische Vielfalt unter den verbliebenen Walen groß genug, sodass die derzeitigen Schutzmaßnahmen für eine Erholung der Population ohne Inzucht ausreichen sollten. 

Während es vor gut 100 Jahren vor Walen nur so gewimmelt haben muss in den Ozeanen, ist es rund 40 Jahre nach Ende des Walfangs ein großes Glück, sie zu sehen. Foto: Julia Hager

Ein so massiver Populationsrückgang birgt auch noch eine andere Gefahr: die Anhäufung von schädlichen Genen. Aufgrund der geringen Populationsgröße sind im Allgemeinen die Träger solch schädlicher Gene gezwungen, sich untereinander zu paaren, was mit der Zeit die Gesundheit der Gesamtpopulation beeinträchtigen und zum Aussterben führen kann. Der Studie zufolge gibt es bei den Finnwalen im Nordostpazifik aber noch immer viele verschiedene Versionen vieler Gene, sodass schädliche Gene nicht weit verbreitet sind. Einer der Gründe ist die relativ lange Generationszeit von Finnwalen von etwa 26 Jahren. So erlebten «nur» zwei Generationen von Walen die intensivste, 50 Jahre dauernde Phase des Walfangs und für die schädlichen Gene blieb nicht genügend Zeit, sich anzusammeln.

Das Autorenteam weist aber auch daraufhin, dass die Population im Nordostpazifik möglicherweise seine Anpassungsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel oder Krankheiten verlieren könnte, wenn die Population relativ klein bleibt. Daher sehen es die Forschenden als unerlässlich an, das Walfangmoratorium und die Schutzmaßnahmen beizubehalten, damit die Population wachsen kann.

Finnwale wurden während des industriellen Walfangs am stärksten bejagt. Weltweit wurden zwischen 1900 und 1989 rund 874.000 Finnwale getötet, davon mehr als 75.500 im Nordpazifik.

Julia Hager, PolarJournal

Link zur Studie: Sergio F. Nigenda-Morales, Meixi Lin, Paulina G. Nuñez-Valencia, et al. The genomic footprint of whaling and isolation in fin whale populations. Nature Communications, 2023; 14 (1) DOI: 10.1038/s41467-023-40052-z

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