Eisberge bewegen sich extrem langsam, für das menschliche Auge praktisch nicht wahrnehmbar. Der dänische Fotograf Jonas Høholt hat die Reise der weißen Riesen im Eisfjord von Ilulissat, Westgrönland, in faszinierenden Zeitrafferaufnahmen eingefangen.
Jonas Høholt erzählte uns per Email mehr über sich und über seine Motivation, die Eisberge im Zeitraffer festzuhalten. Er ist professioneller Fotograf und konzentrierte sich zwischen 2014 und 2020 mit seiner eigenen Firma ganz auf die Zeitrafferfotografie. Er stammt aus dem Norden von Jutland, Dänemark, und hat Fotojournalismus studiert und auch im Fachbereich Biologie an der Technischen Universität Dänemark gearbeitet. Grönland bereiste er dreimal als Tourist bevor er 2023 für vier Monate — von Mitte August bis Mitte Dezember — nach Ilulissat kam, um zu arbeiten. Seine Freizeit nutzte Jonas, um die atemberaubenden Aufnahmen von den Eisbergen aber auch von Wildtieren zu machen. Derzeit orientiert er sich beruflich neu, wobei die Nachhaltigkeit für ihn im Vordergrund steht. «Kleinere Projekte, bei denen ich einen positiven Beitrag für die Welt leisten und mit treuen Kunden zusammenarbeiten kann, sind jedoch nach wie vor interessant für mich», erzählt er gegenüber Polar Journal.
Was hat Ihr Interesse an Grönland geweckt?
«Die Tatsache, dass Grönland im Vergleich zu vielen anderen Ländern noch relativ unerforscht ist, hat mein Interesse geweckt. Die Naturgebiete in Grönland sind riesig und noch recht ursprünglich und unberührt, was es für einen naturbegeisterten Fotografen wie mich zu einem spannenden Reiseziel macht. Außerdem leben viele einheimische Grönländer noch immer mit Respekt vor der Natur, schätzen die reichen Fischgründe außerhalb von Ilulissat und pflegen alte Traditionen wie Hundeschlittenfahrten und kulturelle Zusammenkünfte — z. B. Versammlungen auf einem bestimmten Hügel, um die Sonne am ersten Tag nach der langen Dunkelheit des Winters zu begrüßen. Die meisten Grönländer leben einen recht minimalistischen Lebensstil und haben eine enge Verbindung zur Natur um sie herum. Das gefällt mir sehr gut.»
Was bedeutet es für Sie, diese monumentalen und doch vergänglichen Eisberge zu beobachten und zu dokumentieren?
«Die Eisberge sind ein Kapitel für sich. Nie zuvor hat mich ein Naturphänomen so sehr fasziniert wie die Reise der Eisberge. Majestätisch bewegen sie sich durch den Ilulissat-Eisfjord und werden von Wind und Wasserströmung im Fjord täglich 40 Meter weit geschoben. Sie bewegen sich unermüdlich und schieben sich gegenseitig, knirschen und rumpeln, wenn sich Risse bilden, sie auseinanderbrechen und manchmal umkippen und ein dramatisches Schauspiel bieten. Ich empfinde diese rohe Kraft der Natur als sehr harmonisch und lebensbejahend, und das Beobachten der sich ständig verändernden Eisbergformationen gibt mir das Gefühl, Teil der Natur zu sein.
Für mich ist der Lebenszyklus der Eisberge beeindruckend. Sie beginnen ihr Leben als kleine Schneeflocken, die auf die grönländische Eiskappe fallen. Im Laufe der Jahrhunderte verdichtet sich der Schnee Schicht für Schicht zu sehr hartem Eis, das bis zu drei Kilometer tief in die Eiskappe eindringt. Tausende von Jahren später erreicht das Eis über einen der vielen grönländischen Gletscher das Meer. Das älteste Eis braucht bis zu 250.000 Jahre, um diesen Teil seiner Reise zurückzulegen.
Das Eis, das den Gletscherfuß am Boden des Ilulissat-Eisfjords erreicht, macht 10 % des gesamten Eises aus, das den grönländischen Eisschild verlässt. Schließlich bricht das Eis als kleine oder große Eisberge in den Ilulissat-Eisfjord ab — bis zu 70 Millionen Tonnen Eis täglich. Hier beginnen die Eisberge ihre einjährige Reise durch den Fjord und erreichen die Diskobucht kurz vor Ilulissat. Von dort aus setzen die größten Eisberge ihre Reise in Richtung Atlantik fort, wo einige von ihnen die Meeresströmungen der so genannten Iceberg Alley erreichen, die sie auf eine jahrelange Reise nach Süden entlang der Ostseite von Labrador und Neufundland mitnehmen, bevor sie im Atlantik schmelzen.
Die Eisberge sind der Grund dafür, dass es in der Umgebung von Ilulissat eine Vielzahl von Meerestieren wie Wale, Robben und Fische gibt. Da es sich bei den Eisbergen um fest zusammengepressten Schnee handelt, bestehen sie aus Süßwasser. Ihr langsames Schmelzen im Meer trägt dazu bei, dass Nährstoffe an die Oberfläche gelangen, die das Wachstum von Plankton und Krill begünstigen, die die Grundlage für das meiste Leben in unseren Ozeanen darstellen. Wissenschaftler glauben, dass ohne die Eisberge ein Großteil der Meeresfauna und -flora um Ilulissat verschwinden würde — sie sind einfach auf die kontinuierliche Versorgung mit Eis vom grönländischen Eisschild angewiesen.»
Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere am Zeitraffer?
«Das Besondere ist, dass man Bewegungen und Lichtveränderungen visualisieren kann, die man mit dem bloßen Auge nicht in Echtzeit wahrnimmt. Am Ilulissat-Eisfjord fand ich es interessant, die Bewegungen der größten Eisberge zu verfolgen. Auch wenn die größten Giganten zunächst auf der Moränenbank an der Mündung des Eisfjords auflaufen, werden sie von Wind und Strömung umhergeschoben. Diese langsame Bewegung ist jedoch nur durch Zeitrafferaufnahmen sichtbar.
Außerdem dauern Sonnenaufgänge und -untergänge in der Arktis aufgrund des Sonnenverlaufs am Himmel sehr lange, was die Lichtveränderungen noch dramatischer, aber auch schwieriger zu fotografieren macht, da man mindestens zwei oder drei Stunden in der klirrenden Kälte verbringen muss, um einen Sonnenuntergang einzufangen.
Ich fand die Zeitrafferaufnahmen eine interessante Art, die Geschichte der herbstlichen Veränderungen in der Arktis zu erzählen. Wie zum Beispiel der horizontnahe Weg der Wintersonne, den ich über fünf Stunden hinweg aufgenommen habe, nur wenige Tage bevor die Wintersonne für fast zwei Monate untergeht. Der Kontrast zwischen dem arktischen Sommer und dem Winter und die recht plötzliche Ankunft von Schnee und Minusgraden hat mich beeindruckt und war etwas, das ich in einer visuellen Erzählung darstellen wollte.
Ich schätze es, den arktischen Jahreszeitenwechsel im Herbst erlebt zu haben, die markante Kälte, den beißenden Wind und die zunehmende Dunkelheit, die der arktische Herbst naturgemäß mit sich bringt, respektieren zu müssen.»
Wie viele Stunden haben Sie draußen in der Kälte verbracht, um Zeitraffervideos in Ilulissat aufzunehmen?
«Eine genaue Zahl habe ich nicht, aber ich habe zahlreiche Stunden damit verbracht, mit meiner Kameraausrüstung in den Bergen außerhalb von Ilulissat zu wandern. Ich habe 58 einzelne Sequenzen mit nach Hause gebracht, für die ich im Durchschnitt zwei Stunden gebraucht habe. Dazu kommen die Wanderungen zu den Drehorten außerhalb der Stadt und zurück, die Planung der Aufnahmen und die Einrichtung der Ausrüstung vor Ort.»
Wie viel Zeit haben Sie im Durchschnitt für eine Sequenz benötigt?
«Im Durchschnitt dauerte die Aufnahme jeder Zeitraffersequenz etwa zwei Stunden. Einige wurden jedoch in 20 Minuten aufgenommen, während andere — wie die Aufnahme vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang — über fünf Stunden dauerten.»
Und für die Fotografiebegeisterten unter unseren Lesern: Welche Kamera und welche Objektive haben Sie genutzt? Haben Sie zusätzliche Ausrüstung verwendet? Mit welcher Software haben Sie die Nachbearbeitung gemacht?
«Ich habe dieses Projekt nur mit einem kleinen Sirui Reisestativ, einer Canon 5D Mark IV, einem 70-300mm f4-5.6 und einem 24mm f1.4L II Objektiv sowie einem Everchrom ND64 Filter und dem LRTimelapse Pro Timer 3 aufgenommen.
Die Bearbeitung erfolgte in primo 2024, als ich wieder zu Hause in Dänemark war, und umfasste Software wie LRTimelapse 6, Adobe Lightroom, Adobe After Effects und Adobe Premiere, um das Rohmaterial zu bearbeiten und zu optimieren sowie es zu stabilisieren und zu entflimmern, damit es einen glatten und angenehmen Look erhält.»
Interview von Julia Hager, PolarJournal
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