Forschungsinteresse an Grönland steigt weiter an | Polarjournal
Morgendämmerung nicht nur für die Forschungsstation Summit Station mitten auf dem grönländischen Eisschild. Das Forschungsinteresse an Grönland ist weltweit angestiegen. Bild: Webcam Summit Station

Als vor über 1’000 Jahren der Wikinger Erik der Rote seinen Landsleuten von Grönland erzählte, startete er unwissentlich ein Interesse in der Welt, das bis heute anhält, wenn auch aus anderen Gründen: Statt neuen Lebensraum suchen Frauen und Männer seit über 100 Jahren Antworten auf unterschiedlichste wissenschaftliche Fragen. Und in den letzten Jahren ist die Zahl der Fragen und der Antwortsuchenden massiv angestiegen.

Grönland boomt, wenn es um Forschung geht. Das zeigen gleich zwei Ereignisse, die in den letzten zwei Wochen stattgefunden hatten und ein passender Ausdruck für dieses gestiegene Interesse der wissenschaftlichen Welt ist. Das wäre zum einen der Workshop «Arctic Hub Connect», bei mehr als 50 nationale und internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den verschiedensten Forschungszweigen zusammenkamen, ihre Arbeiten vorstellten und sich vernetzten. Zum anderen unterzeichneten der grönländische Nationale Forschungsrat und das Swiss Polar Institute eine Absichtserklärung, in der eine verstärkte Zusammenarbeit und Forschungspartnerschaft der beiden Länder besonders zu den Themen Klimawandel und Naturgefahren formuliert wird.

Der vom International Arctic Hub mehrfach durchgeführte Workshop «Arctic Hub Connect» brachte insgesamt 51 Forschende in einem Online-Forum zusammen. Dort präsentierte man die eigenen Arbeiten, tauschte sich über Erfahrungen aus und diskutierte die bevorstehenden oder bereits durchgeführten Feldarbeiten. «Wir freuen uns sehr, dass der Workshop ein derart grosses Interesse geweckt hatte», erklärt Jula Maegaard-Hoffmann vom International Arctic Hub. Neben den traditionell vertretenen Sozial- und Geisteswissenschaften waren in diesem Jahr auch die Natur- und Gesundheitswissenschaften am Workshop beteiligt. Daraus entstand durch eine Zusammenarbeit der Teilnehmer eine interaktive Karte, auf der die verschiedensten Forschungsprojekte aufgeführt sind und diese auch beschreiben. «Das widerspiegelt den grossen Bedarf für eine bessere Übersicht über die Forschungsaktivitäten auf Grönland. Denn es sind nicht nur die Regierung und wir vom Arctic Hub, die eine grössere Übersicht wünschen, sondern auch die Forschenden selbst.» Themen, die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutiert wurden, betrafen entsprechend wichtige Aspekte wie Kommunikation mit den lokalen Behörden und den Einwohnern.

Ausserdem wurden Möglichkeiten besprochen, wie man «Forschungsmüdigkeit» bei den Bewohnern der Feldarbeitsorten verhindern kann, ein Phänomen, wenn zu viele Forschungsarbeiten an einzelnen Orten die lokale Bevölkerung zu stören beginnt. Der Workshop und die Karte halfen den Forschenden bei einer besseren Koordinierung ihrer Arbeiten und vernetzten die verschiedenen Projekte. «Natürlich waren wir weit davon entfernt, alle Forschenden in Grönland zu versammeln – nur diejenigen, die teilnehmen wollten und die von dem Workshop gehört hatten, nahmen teil» sagt Jula Maegaard-Hoffmann. «Aber eine Veranstaltung wie Arctic Hub Connect ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem besseren Überblick über all die spannende Forschung, die in dem Land stattfindet.» Sie ist überzeugt, dass der Workshop im nächsten Jahr noch mehr Teilnehmende zusammenbringen wird.

Im Beisein des grönländischen Bildungsminister Peter Olsen (links) und der Schweizer Botschafterin in Dänemark Florence Tinguely Mattli (2.v.r) wurde die Absichtserklärung von der NIS-Vorsitzenden Josephine Nymand (v.l) und der Geschäftsführerin des SPI Danièle Rod (v.r.) unterzeichnet. Bild: Swiss Polar Institute

Mit der offiziellen Unterzeichnung der Absichtserklärung zwischen dem grönländischen Forschungsrat NIS und dem Swiss Polar Institute SPI markierte ein weiteres Ereignis die Bedeutung von Grönland in Sachen internationalem Forschungsinteresse. Zusammen mit dem grönländischen Bildungsminister Peter Olsen und Florence Tinguely Mattli, der Schweizer Botschafterin in Dänemark, setzten NIS-Vorstandsvorsitzenden Josephine Nymand und SPI-Geschäftsführerin Danièle Rod ihre Unterschriften auf das wichtige Dokument. Damit bekräftigen beide Seiten ihre Forschungszusammenarbeit bei den Themen Klimawandel und Naturgefahren. «Die Schweiz und Grönland allein können den Klimawandel nicht aufhalten», erklärt Botschafterin Tinguely Mattli. «Als stark betroffene Regionen können wir jedoch Beweise für die Auswirkungen des Klimawandels liefern und das internationale Bewusstsein weiter schärfen.»

Erst Anfang April hatten die beiden grönländischen Minister Aqqaluaq B. Egede (l) und Kalistat Lund (m) gemeinsam mit Palle Jeremiassen, dem Bürgermeister einer der Gemeinden Grönlands, die Schweiz besucht. Bilder: Naalakersuisut / Avannaata Kommunia

Die offizielle Unterzeichnung ist der Höhepunkt einer seit längerem laufenden Reihe von Besuchen und Treffen auf verschiedensten Ebenen zwischen den beiden Ländern. Erst vor einigen Wochen hatte eine hochrangige grönländische Delegation von Politikern und Forschenden die Schweiz besucht und sich mit eidgenössischen Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Wissenschaft über Fragen zum Umgang mit Naturgefahren ausgetauscht. Diese ist im Hinblick auf den stetig zunehmenden Klimawandel in Grönland ein wichtiges Thema. Doch auch mehrere Schweizer Projekte zu anderen Auswirkungen des Klimawandels und anderen Forschungsthemen werden auf der anderen Seite auf Grönland durchgeführt. Das grösste Projekt dabei dürfte «GreenFjord» unter der Leitung von ETH-Professorin Julia Schmale sein. Das mehrjährige Projekt vereint mehrere Forschungszweige in sich, um in Südwestgrönland die Auswirkungen des Klimawandels auf die Natur und die Menschen und deren Umgang damit zu untersuchen.

Damit schliesst sich auch der Kreis zum Arctic Hub, denn die Karte zeigt, dass die südwestliche Region zu den am häufigsten untersuchten Orten der riesigen Insel gehört. Doch Grönland ist riesig und kann sicherlich noch mehr Antworten zu globalen Fragen liefern, auch in Zukunft.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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