Bohrprojekt in der Westantarktis mit Teilerfolg | Polarjournal
Das Bohrcamp des SWAIS 2C – Teams auf dem Kamb-Eisschelf in der Westantarktis, 860 Kilometer entfernt von der neuseeländischen Scott Station. Foto: Anthony Powell

Das Wissenschaftsteam des SWAIS 2C-Projekts hat die erste Etappe erfolgreich genommen und die ersten Sedimentkerne geborgen. Bei der Bohrung unter dem Eisschild kam es allerdings zu technischen Problemen, die erst in der nächsten Saison gelöst werden können. 

Das internationale Forschungsbohrprojekt «Sensitivity of the West Antarctic Ice Sheet to Two Degrees of Warming» (SWAIS 2C), an dem auch das Alfred-Wegener-Institut beteiligt ist,  kann einen wichtigen Erfolg für sich verbuchen: Den Forschenden und Bohrexperten gelang es, mit einem Heißwasserbohrer durch das 580 Meter dicke Kamb-Eisschelf zu bohren und insgesamt zehn Sedimentkerne aus dem Meeresboden darunter zu entnehmen. Einer der Bohrkerne hat eine Länge von knapp zwei Metern — der längste, der jemals an der abgelegenen Siple Coast entnommen wurde. 

«Wir befinden uns im Grenzbereich, bohren durch ein Eisschelf in den Meeresboden, um Sedimentproben zu entnehmen, die bisher niemandem zugänglich waren. Das ist Spitzenforschung und eine unglaubliche Herausforderung», sagt Professor Richard Levy, Co-Chefwissenschaftler des Projekts von GNS Science Te Pū Ao und Te Herenga Waka-Victoria University of Wellington, Neuseeland, in einer Pressemitteilung der Universität.

Die Hoffnung der Forschenden, rund 200 Meter tief in den Meeresboden bohren zu können, wurde dieses Mal leider nicht erfüllt. Technische Probleme stoppten die Bohrungen kurz vor dem Ziel und zwangen das Team, die Bohrungen für diese Saison zu beenden und die Ausrüstung zu bergen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler blicken jedoch zuversichtlich auf die kommende Saison, da nur einfache Modifikationen am Bohrsystem vorgenommen werden müssen. 

Gavin Dunbar, wissenschaftlicher Koordinator der Bohrungen von der Te Herenga Waka – Victoria University, mit dem 1,92 Meter langen Sedimentkern – der längste, der jemals an der Siple Coast gewonnen wurde. Foto: Tina van de Flierdt

Von den Sedimentproben erhofft sich das Team wichtige Einblicke in die Geschichte des Westantarktischen Eisschilds: «Die Abfolge der Gesteine im Sediment sollte uns Aufschluss darüber geben, wie sich der Westantarktische Eisschild verhielt, als es etwas wärmer war als heute – wenn wir Meeresalgen finden, ist es wahrscheinlich, dass sich der Eisschild zurückzog. Anhand dieser Informationen können wir uns ein viel besseres Bild davon machen, wie das antarktische Eis auf die künftige Erwärmung reagieren wird, welche Teile zuerst schmelzen und welche erhalten bleiben werden», erklärt Professor Levy.

Der begehrte Bohrkern soll Hunderttausende von Jahren, möglicherweise sogar Millionen von Jahren zurückreichen und damit die letzte Zwischeneiszeit vor 125.000 Jahren abbilden, als die Erde etwa 1,5 °C wärmer war als vor der Industrialisierung, also ähnlich den Temperaturen, die wir aufgrund des Klimawandels erreichen werden. 

Aus den tiefen Sedimenten erhoffen sich die Forschenden Informationen darüber, ob das Ross-Eisschelf und der Westantarktische Eisschild abschmelzen könnten, wenn die globalen Durchschnittstemperaturen an der Erdoberfläche 2 °C  höher sind als vor der industriellen Revolution.

Doch nicht nur die Sedimente sind für die Forschenden interessant, sondern auch das Wasser zwischen dem Eisschelf und dem Meeresboden. Mit einer CTD-Sonde, die Salzgehalt, Temperatur und die Dichte des Wassers misst, sammelten sie wichtige ozeanografische Daten. Eine Langzeitverankerung, die mit einer Reihe von Instrumenten bestückt ist, sammelt außerdem über Jahre Daten über Meeresströmungen und Eigenschaften des Meerwassers im Bereich der Grundlinie, wo das Eisschelf auf dem Kontinent aufsitzt. Diese Beobachtungen werden den Forschenden helfen zu verstehen, wie sich die Erwärmung des Südpolarmeers auf die Temperatur des Wassers unter dem Eisschelf auswirkt, das das Schmelzen entlang der Grundlinie verstärken kann.

Das Team des SWAIS 2C-Teilprojekts KIS (Kamb Ice Shelf) vor dem Bohrzelt auf dem Kamb-Eisschelf im Dezember 2023. Foto: Anthony Powell

Auch wenn das Projektziel in dieser Saison nicht vollständig erreicht wurde, ist das Team überglücklich: «Wir sind begeistert von dem, was wir geschafft haben. Es ist ein großer Schritt vorwärts auf dem Weg zu unserem ultimativen Ziel, die Sedimente zu bergen, die wir brauchen, um die großen Fragen zu beantworten, die für die Menschheit bei der Anpassung und Planung des Meeresspiegelanstiegs entscheidend sind», so Professorin Tina van de Flierdt, Co-Chefwissenschaftlerin des Projekts vom Imperial College London.

Julia Hager, PolarJournal

Link zur Projekt-Webseite: https://www.swais2c.aq/  

Mehr zum Thema: 

Print Friendly, PDF & Email
error: Content is protected !!
Share This