Der polare Rückblick – Kleine Probleme, grosse Probleme in polaren Regionen | Polarjournal
Grosses Problem, einfache Lösung in der Antarktis: Weil man kaum Angaben zu den Koloniegrössen der Kaiserpinguine hat, setzt die BAS auf Luftaufnahmen, um die Tiere zu zählen und damit dann eine KI zur Auswertung von Satellitenbildern zu trainieren. Bild: Michael Wenger

Der polare Rückblick greift Geschehnisse der vergangenen Woche auf, die mit Arktis und Antarktis zusammenhängen und stellt einen oder mehrere Aspekte ins Zentrum der Betrachtung.

In dieser Ausgabe zeigt sich, dass die Logistik für Projekte, die mit Arktis und Antarktis zusammenhängen, eine Quelle für grosse und kleine Probleme darstellt und Lösungen manchmal einfach, manchmal schwierig sind.

Projekte in der Arktis und die Antarktis stehen immer wieder vor logistischen Herausforderungen, egal ob es politische, wirtschaftliche oder wissenschaftliche Projekte sind. Und nicht immer lassen sich diese Herausforderungen einfach, rasch und/oder kostengünstig lösen. Dies zeigte sich in der vergangenen Woche in Grossbritannien, Kanada und den USA. Die davon betroffenen Themen sind so vielfältig wie die Polarregionen selbst: Von fehlenden Pinguindaten über fehlende Eisbrecher bis zu fehlenden Aufräumarbeiten bei Verschmutzungen reichte die Palette der kleineren und grossen Probleme.

Pinguindaten aus der Luft dank Citizen Science

Eine logistische Herausforderung ist das Erheben von Daten über die Koloniegrössen von Pinguinen in der Antarktis, besonders bei Kaiserpinguinen. Zwar kennt man die Standorte der 66 Kolonien, weiss aber nur wenig über die Anzahl der Tiere und das Verhältnis zwischen adulten Tieren und Küken. Das ist ein grosses Problem, denn die ikonischen Vögel scheinen nach neuesten Erkenntnissen sehr stark von den klimatischen Umwälzungen in der Region betroffen. Darum setzt man schon länger auf die Auswertung von Luftbildaufnahmen aus niedrigeren Höhen, um so mittels Künstlicher Intelligenz dann Satellitenaufnahmen auswerten zu können und so sich den logistischen Aufwand für Flüge zu sparen und die Tiere auch nicht zu stören. Eine elegante Lösung, die aber noch einiges an Arbeit vor sich hat.

Die British Antarctic Survey arbeitet an einer solchen Lösung und setzt bei der Auswertung der Luftaufnahmen auf die Mitarbeit von Freiwilligen, sogenannten «Citizen Scientists». Dazu rief die BAS letzte Woche das «Polar Observatory» ins Leben, eine Webseite mit 341 Bildern der Kaiserpinguinkolonie bei Snow Hill Island. Darauf konnten Freiwillige unter Anleitung erwachsene und junge Tiere markieren und damit zählen. So erhalten die Forschenden rasch die notwendigen Daten für die Übersicht der Kolonie. Weitere Kolonien werden dann folgen. Ein kleines Problem für «Citizen Scientists»: Man muss rasch auf solche Aufrufe reagieren, denn die 341 Aufnahmen waren innert weniger Stunden komplett ausgewertet und eine weitere Mithilfe war nicht mehr möglich.

Es scheint, als ob der US-Eisbrecher «Healy» noch eine ganze Weile Dienst in den arktischen und antarktischen Gewässern leisten muss. Denn die neuen Schiffe, die den fast 30-jährigen grössten Eisbrecher ersetzen sollen, werden immer teurer und verspäten sich massiv. Bild: NASA / Kathryn Hansen, Wikicommons Public Domain

Immer später, immer teurer: Die Eisbrecher für die US-Küstenwache

Mit einem ganz anderen, viel grösseren logistischen Problem kämpft die US-amerikanische Küstenwache (USCG). Deren Eisbrecher-Programm wird noch teurer und die Schiffe noch später ausgeliefert als bisher gedacht. Ursprünglich hätte ein 2019 abgeschlossener Vertrag mit der Firma VT Halter Marine über 3 neue «Polar Security Cutter» und einen möglichen vierten die Auslieferung des ersten Schiffes in diesem Jahr vorgesehen. Doch ein neuer Bericht, der nun dem US-Kongress vorgelegt werden wird, zeigt, dass mit einer Auslieferung kaum vor 2027 oder 2028 gerechnet werden darf. Ausserdem zeigt der Bericht, dass die Kosten, die im Vertrag von 2019 noch mit 2.9 Milliarden US-Dollar beziffert worden waren, mittlerweile 2.5-mal höher liegen und die 5-Milliarden-Grenze überschreiten werden. Das erste Schiff, mit dessen Bau wahrscheinlich 2025 begonnen werden wird, ist bereits jetzt mehr als doppelt so teuer wie noch 2019 angegeben und liegt bereits bei 1.9 Milliarden US-Dollar.

Als Übergangslösung für die fehlenden Schiffe sind nun umfangreiche Restaurationsarbeiten an den beiden existierenden Eisbrechern Healy und der Polar Star im Gange. Dabei entstehen aber auch neue Probleme, denn letztere ist dermassen alt, dass Ersatzteile nur noch von ihrem Schwesterschiff Polar Sea erhältlich sind und auch für die Healy werden Esatzteile langsam rar. Der Kauf eines anderen Schiffes als weitere Notlösung ist bereits im Gange. Doch wie der Kongress, der sich seit Monaten durch den Streit zwischen Republikanern und Demokraten in einer Art Limbo befindet, über die Ankündigung reagieren wird, ist kaum vorherzusagen.

Der Tagebau von Mineralien im arktischen Teil Kanadas hinterlässt nicht nur Narben, sondern auch Schadstoffe im Boden. Diese aufzuräumen wäre eigentlich die Aufgabe der kanadischen Regierung. Doch in vielen Fällen geschieht dies nur schleppend oder gar nicht, wie ein Bericht zeigt. Bild: Axel Space Corporation

Schwere Klatsche für Kanadas Regierung in Sachen arktischem Umweltschutz

Auch der nördliche Nachbar der USA, Kanada, hat ein Problem in seinem arktischen Norden. Dieses ist jedoch noch gewaltiger als die fehlenden Eisbrecher. Denn ein Bericht des kanadischen Rechnungshofes stellt der Regierung in Ottawa ein sehr schlechtes Zeugnis aus bei der Verwaltung von schadstoffbelasteten Stellen des Landes aus. Über 400 Stellen in den Regionen Nunavik, Nunavut, Nordwest-Territorien und Yukon gelten als sicher oder vermutlich stark mit Schadstoffen belastet und müssten dringend saniert werden. Diese Aufgabe würde der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den regionalen Verwaltungen obliegen. Doch bisher sei zu wenig von den entsprechenden Behörden unternommen worden, um Natur und die dortigen Bewohner vor Schädigungen zu schützen und die Wiederherstellung der Stellen zu gewährleisten. Ausserdem bemängelt der Rechnungshof auch die Kommunikation der Behörden gegenüber den betroffenen Menschen und in Berichten an die Regierung. Von fehlenden Berichten, Zahlen und Informationen ist in dem Bericht die Rede. Auch ein Mangel an Zusammenarbeit mit den indigenen Organisationen und Behörden wird aufgelistet.

Doch der Bericht übt nicht nur Kritik an den Behörden, sondern liefert auch insgesamt 19 Lösungsvorschläge, die verbesserter Transparenz bei der Verwaltung und Sanierungsmassnahmen, bessere Berichterstattung gegenüber der Bevölkerung, bessere Einbindung der indigenen Bevölkerung in die Sanierungsmassnahmen und einen unabhängigen Sachverständigen fordern.

Dr. Michael Wenger, Polar Journal AG

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