Der Lunge des Ozeans geht die Luft aus | Polarjournal
Das Süßwasser der schmelzenden antarktischen Gletscher fließt in das Südpolarmeer. Da die Schmelzrate zunimmt, führt das zusätzlich freigesetzte Süßwasser offenbar dazu, dass weniger Sauerstoff in die Tiefsee transportiert wird, was sich auf die allgemeine Gesundheit der Weltmeere auswirkt (Foto: Julia Hager)

Die schmelzenden Gletscher der Antarktis führen dem Südlichen Ozean mehr Süßwasser zu als vorhergesagt. Dies führt dazu, dass der Mechanismus, der die Weltmeere mit sauerstoffreichem Wasser versorgt, schneller als erwartet zusammenbricht.

Rund um die Antarktis sinkt in mehreren sogenannten Tiefenwasserbildungszonen, in denen «schweres» — sehr kaltes und sehr salzhaltiges — Wasser in die Tiefsee ab und treibt so die Zirkulation rund um den Kontinent an. Jüngste Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass die globale Erwärmung dazu geführt hat, dass die Tiefseeströmungen in einigen Teilen des Südlichen Ozeans seit den 1990er Jahren um 30 % langsamer geworden sind. Dies wiederum führt dazu, dass weniger Sauerstoff in die Tiefen des Ozeans gelangt, von wo aus er in den Rest der Weltmeere verteilt wird.

Es wurde zwar eine Verlangsamung der Tiefseezirkulation vorhergesagt, aber nicht vor 2050 und auch nicht in dem Ausmaß, wie es die Forschung zeigt.

„Diese jüngsten Beobachtungen deuten jedoch darauf hin, dass die prognostizierte Verlangsamung bereits im Gange ist“, so Matthew England, stellvertretender Direktor des Australian Centre for Excellence in Antarctic Research und Co-Autor der in Nature Climate Change veröffentlichten Studie, in einer Pressemitteilung.

Die Forschungsarbeiten ergaben, dass das Süßwasser, das durch das Abschmelzen der antarktischen Gletscher in die Küstengewässer gelangt, die direkte Ursache für diese Verlangsamung ist. Je mehr Süßwasser sich mit Meerwasser mischt, desto weniger salzhaltig ist das Küstenwasser und desto geringer ist seine Dichte. Dies hat zur Folge, dass weniger sauerstoffreiches Oberflächenwasser in die Tiefe sinkt. Dieses Gemisch – bekannt als Antarktisches Bodenwasser – ist die dichteste Wassermasse in allen Weltmeeren. Es wird mit den Tiefseeströmungen aus dem Südlichen Ozean transportiert und macht etwa 40 % des gesamten Meerwasservolumens aus.

Die Süßwasserzufuhr durch schmelzende Gletscher verringert den Salzgehalt des Wassers über dem Kontinentalschelf (1). Dadurch verringert sich der Transport von sauerstoffreichem Wasser in die tieferen Meeresschichten (2), was die Zirkulation verlangsamt. Infolgedessen sinkt die Sauerstoffkonzentration in der Tiefsee und es kommt zur Desoxygenierung der Tiefseebecken (3) (Abbildung: Gunn et al 2023)

Die jüngsten Vorhersagen für die antarktische Tiefseezirkulation – basierend auf der pessimistischsten Prognose des UN-Klimarates – zeigen, dass sich die Strömung des AABW bis 2050 um mehr als 40 % verlangsamen könnte. Weniger Zirkulation, so Dr. England, bedeutet, dass weniger Nährstoffe aus der Tiefsee zu den Organismen an der Meeresoberfläche transportiert werden.

„Wir sind an die Vorstellung gewöhnt, dass das Schmelzen des antarktischen Eisschildes den Anstieg des Meeresspiegels verursacht. Aber diese Arbeit zeigt uns auch, dass die Auswirkungen schmelzender Gletscher in der Antarktis bis in die Tiefsee reichen und sich auf das Klima und die Chemie der Ozeane sowie den Meeresspiegel auswirken“, sagte Co-Autor Stephen Rintoul, ein Ozeanograph bei CSIRO, der nationalen australischen Wissenschaftsbehörde.

Das Forscherteam vergleicht das AABW mit einer Lunge, die Sauerstoff – zusammen mit Kohlenstoff und Nährstoffen – in die Tiefsee des Atlantiks, des Pazifiks und des Indischen Ozeans pumpt. Das Schrumpfen der AABW-Schicht wurde bereits in allen großen Ozeanen beobachtet, was darauf hindeutet, dass auch in anderen Regionen der Antarktis weniger Tiefenwasser gebildet wird und somit weniger Sauerstoff in den tiefen Ozean transportiert wird, so die Studie.

Ozeanographen verwenden eine CTD-Sonde (im Bild), um Temperatur, Salzgehalt und Druck zu messen (Foto: Stephen Rintoul)

Eine geringere Sauerstoffverfügbarkeit im Meer führt zu einem Verlust an Lebensraum für Meeresorganismen, sowohl am Meeresboden als auch im Wasser darüber. Dies könnte Auswirkungen auf die Fortpflanzung und das Wachstum von sauerstoffabhängigen Arten haben. Kaskadeneffekte auf das Nahrungsnetz können sich auch auf Fischpopulationen auswirken, die für die menschliche Ernährungssicherheit wichtig sind.

Das Forscherteam geht davon aus, dass der Salzgehalt des Wassers über dem antarktischen Kontinentalschelf weiter abnehmen wird, möglicherweise sogar schneller als bisher. Allerdings verzeichneten sie zwischen 2009 und 2018 einen leichten Anstieg des Salzgehalts. Laut Kathy Gunn, einer Ozeanographin und Hauptautorin der Studie, hat dies zu einer teilweisen Erholung geführt.

„Das hat alles mit dem Salzgehalt zu tun. Der Anstieg der Salzkonzentration und die Erholung der Zirkulation zeigen, dass die Mechanismen in beide Richtungen wirken können“, sagte Dr. Gunn. „Wenn also die Süßwasserzufuhr abnimmt, könnte sich ein Teil der tiefen Umwälzzirkulation wieder erholen.“

Julia Hager, PolarJournal

Quelle
Gunn, K.L., Rintoul, S.R., England, M.H. et al. Recent reduced abyssal overturning and ventilation in the Australian Antarctic Basin. Nat. Clim. Chang. (2023). https://doi.org/10.1038/s41558-023-01667-8

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