Grönlandwale schlagen womöglich den Elefanten | Polarjournal
Das herausragendste Merkmal des Grönlandwals ist sein grosser Schädel, der bis zu 40 Prozent seiner Gesamtkörperlänge ausmacht. Ausgewachsene Bullen können bis zu 16 Meter lang werden und erreichen ein Gewicht von 50 bis 70 Tonnen. Kühe erreichen eine Länge von bis zu 18 Metern und ein Gewicht von bis zu 100 Tonnen. (Foto: Heiner Kubny)

Grönlandwale sind gewaltige Tiere und halten auch einige Rekorde innerhalb der Säugetiere. Die bis zu 18 Meter langen Tiere können über 200 Jahre alt werden, ein Rekord unter den Säugetieren. Der reine Arktisbewohner weist zum Schutz vor der Kälte eine Fettschicht von bis zu 70 Zentimetern auf, was ebenfalls ein Rekord darstellt. Ausserdem ist der Kopf im Verhältnis zum Körper sehr gross. Fast ein Drittel der Gesamtlänge wird vom Kopf eingenommen. Dies ermöglicht ihm ein Durchbrechen von bis zu 30 cm dicken Eisschichten.

Seine Grösse und sein Gewicht verdankt der Wal seiner Ernährung, die aus arktischem Krill und Fischschwärmen besteht, die er mit seinem bis zu 4 Meter grossen Maul und den Barten aus dem Wasser siebt. Typischerweise taucht das Tier dafür nicht sehr tief, dafür aber bis zu zwölf Minuten. Nach einem Tauchgang verbringt der Wal ein bis zwei Minuten zum Atmen an der Oberfläche. Grönlandwale werden auch sehr spät geschlechtsreif und bis heute ging man davon aus, dass die Tragzeit (Schwangerschaft) etwa 14 Monate beträgt.

Grönlandwal beim Abtauchen vor der Küste in Nunavut (Canada), Ein Tauchgang dauert im Schnitt zwölf Minuten. Die Fluke (Schwanzflosse) kann eine maximale Breite von bis zu acht Meter erreichen. (Foto: Heiner Kubny)

Neueste Studien vermuten längere Tragzeit

Eine umfangreiche Studie soll nun belegen, dass die Tragzeit der Grönlandwale womöglich 23 Monate dauert, statt nur der angenommenen 14 Monate. Nun hat ein internationales Team um Professorin Nadine Lysiak von der Suffolk Universität in Boston eine neue Untersuchungsmethode angewandt: Sie analysierten Hormonspuren, die sich in den Barten von zehn weiblichen Grönlandwalen abgelagert hatten.

Die Daten zeichnen die Konzentration von Progesteron nach – einem Hormon, das während Schwangerschaften ausgeschüttet wird – und legen eine Tragzeit von fast zwei Jahren nahe. Damit würde der Grönlandwal den Elefanten übertreffen. Mit 22 Monaten hielt dieser bisher den entsprechenden Rekord unter den Säugetieren.

Ganz sicher ist das Wissenschaftsteam noch nicht, denn die Daten zeigen nicht nur bei Monat 23 einen Anstieg von Progesteron, sondern einen zweiten bei Monat 14. Das könnte auch bedeuten, dass die Tiere zwar 23 Monate zuvor schwanger geworden waren, aber sich die Schwangerschaft verzögert und erst bei Monat 14 dann so richtig auftritt. Eine solche Strategie wird bei einigen arktischen Säugetieren beobachtet und soll die werdende Mutter davor schützen, zu viel Energie, die sie vielleicht im Herbst nicht hat, in die Entwicklung des Embryos zu investieren. Fehlen die Energiereserven im Herbst, stösst der Körper das befruchtete Ei ab, eine Art natürlicher Schwangerschaftsabbruch.

Jagdgebiete der Grönlandwale. Die Schattierung zeigt die ungefähre saisonale Verteilung der Grönlandwale im Sommer (rot) und Winter (grün). Grafik: Lysiak et al. (2023)

Grönlandwale – Bewohner der Arktis

Grönlandwale findet man nur in der nördlichen Hemisphäre in den arktischen Gewässern, wo sie den grössten Teil ihres Lebens nahe der Packeiskante verbringen. Sie werden auf Grund ihrer Verbreitung in fünf Bestände eingeteilt: den Davis Strait/Baffin Bay Bestand, den Bering/Tschuktschen/Beaufort See Bestand, den Hudson Bay/Foxe Basin Bestand, die Ochotskisches Meer Subpopulation und den Spitzbergen Bestand. Die verschiedenen Grönlandwalbestände wandern innerhalb ihrer Verbreitungsgewässer und ziehen nicht wie andere Grosswale in wärmere Gewässer zum Überwintern. Damit sind Grönlandwale neben Beluga und Narwal eine von drei Walarten, die ihr ganzes Leben in der Arktis verbringen.

Heiner Kubny, PolarJournal

Link zur Studie: Lysiak et al (2023) R Soc Open Sci 10(7) Prolonged baleen hormone cycles suggest atypical reproductive endocrinology of female bowhead whales, doi.org/10.1098/rsos.230365

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