Diskussion um Expeditionstourismus in Grönland | Polarjournal
Der in die Schlagzeilen geratene Alpefjord ist Teil des Kong-Oscar-Fjordsystems am südlichen Ende des Nordostgrönländischen Nationalparks. Der relativ enge Fjord wird aufgrund seiner spektakulären Szenerie gerne besucht. Damit könnte aber bald Schluss sein. Bild: Michael Wenger

Nach dem glimpflich verlaufenen Zwischenfall im Alpefjord im Nationalpark von Nordostgrönland hat die Regierung bekanntgegeben, Massnahmen gegen den steigenden Kreuzfahrttourismus zu erörtern. Und Umweltminister Kalistat Lund stellt den Sinn einer Expeditionsreise generell in Frage. Auf diese Herausforderungen hat der Verband der Anbieter von Arktischen Expeditionsreisen AECO nun geantwortet. Doch die Diskussion dürfte damit nicht beendet sein.

Die arktische Touristensaison ist beinahe vorbei und die letzten Schiffe fahren zurzeit in den Fjorden Grönlands. Viele Einträge in den sozialen Medien zeigen fröhliche Gesichter, spektakuläre Landschaften und grandiose Tierbilder. Doch der Vorfall im Alpefjord, bei dem das Expeditionsschiff Ocean Explorer unglücklich auf Grund gelaufen war und wieder freigeschleppt werden musste, verschärfte die Diskussion um die Zukunft der Kreuzfahrten in und um Grönland, besonders im Fokus steht dabei der Expeditionstourismus. Dabei steht der Alpefjord als Zielgebiet und die unter der Wasseroberfläche unsichtbaren Hindernisse stellvertretend für geplante verschärfte Gesetz und Regulierungen schon beinahe symbolträchtig für die Diskussion.

Der gegenwärtige Umweltminister Kalistat Lund von der Regierungspartei Inuit Ataqtigiit sieht in den steigenden Zahlen von Schiffen ein grosses Problem und fordert strengere Auflagen bei den Bewilligungsverfahren. Bild: Government of Greenland

«Die Zeit, in der man sich als Expeditionsschiff bezeichnen konnte, obwohl man eigentlich ein normales Kreuzfahrtschiff war, müssen vorbei sein.“

Kalistat Lund, grönländischer Minister für Landwirtschaft, Selbstversorgung, Energie und Umwelt

Angefacht wurde sie durch Umweltminister Kalistat Lund. Der frühere Pilot und heutige Umweltminister findet scharfe Worte bezüglich der steigenden Zahlen an Touristenschiffen, insbesondere für Expeditionsschiffe. Es sei heutzutage viel zu einfach für Kreuzfahrtschiffe, sich als Expeditionsschiff zu bezeichnen, erklärte er in einem Interview mit der Zeitung Sermitsiaq. «Die Zeit, in der man sich als Expeditionsschiff bezeichnen konnte, obwohl man eigentlich ein normales Kreuzfahrtschiff war, müssen vorbei sein. Sehen Sie sich nur das Schiff an, das auf Grund gelaufen ist. Die mehr als 200 Menschen an Bord sind keine Wissenschaftler, sondern Touristen», erklärte er. Darum setzt er sich zusammen mit seiner Kollegin Vivian Motzfeldt, der für Tourismus zuständigen Ministerin für schärfere Regulierungen und Gesetze in Bezug auf das Bewilligungsverfahren für Schiffe ein. Seines Erachtens schaden diese Besuche in den Fjorden Grönlands sowohl der Umwelt wie auch der lokalen Fischerei: Unter anderem macht sein Ministerium geltend, die Expeditionsschiffe würden die Narwale verscheuchen, die ein Teil der Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung ist. Ministerin Motzfeldt hat bereits angekündigt, dass sie schon für nächstes Jahr strengere und klarere Auflagen und Gesetze in Kraft haben wird. Man sei mit den Gemeinden in Kontakt dazu um deren Wünsche und Vorschläge miteinzubeziehen.

Für viele Orte sind die Einnahmen durch den Tourismus substantiell. Doch gleichzeitig häufen sich die Stimmen, die der Entwicklung kritisch gegenüberstehen. Zu oft würden die lokalen Bedürfnisse von den Schiffsbetreibern missachtet und Schlupflöcher gesucht, um keine oder nur minimale Abgaben bezahlen zu müssen. Symbolbild: Michael Wenger

„Die Begriffe Expeditionskreuzfahrt und Expeditionskreuzfahrtschiff sind international anerkannte Bezeichnungen und werden schon seit vielen Jahren verwendet.“

Anders de la Cour-Vahl, Vizegeschäftsführer AECO

Die Kritik von Umweltminister Lund hat die AECO versucht zu kontern. Der Ausdruck Expeditionskreuzfahrt und die dazugehörenden Schiffe seien seit Jahren international anerkannt, erklärt AECO-Vizegeschäftsleiter Anders de la Cour Vahl in einem Interview. Ausserdem sei das Bewilligungsverfahren schon heute sehr umfangreich und komplex. Ausserdem weist die AECO immer wieder darauf hin, dass seine Mitglieder sehr strengen und selbstauferlegten Umweltauflagen folgen, die teilweise über die nationalen Gesetze und Regelungen hinausgehen. Ausserdem arbeite man mit den lokalen Behörden und Vertretern eng zusammen, um sicherzustellen, dass die Gemeinden auch finanziell das Maximum erhalten würden. Doch anders als für Svalbard existieren keine Zahlen dazu, wie hoch der Turnover ist, den der Expeditionstourismus den Gemeinden einbringt. Dies wäre aber ein gewichtiges Argument für den Expeditionstourismus, wie Zahlen aus Svalbard zeigen. Dort generiert diese Form des Tourismus laut einer Studie rund fünfmal mehr Einnahmen pro Passagier als der konventionelle Kreuzfahrttourismus.

Ob dies für die Regierung in Nuuk ein genügend starkes Argument wäre, sei aber dahingestellt. Bereits in zwei Tagen wird das grönländische Parlament über einen Vorschlag der Regierung abstimmen, der den Gemeinden die Möglichkeit gibt, eigene Umweltabgaben zu erheben, die von den Schiffsbetreibern und Reiseanbietern bezahlt werden müssen, wenn sie einen Besuch auf dem Gemeindegebiet planen. Dieses Geld soll dann vollumfänglich in die Gemeinde fliessen. Gleichzeitig sollen grosse Kreuzfahrtschiffe stärker zur Kasse gebeten werden bei der Hafennutzung (mit einer Ausnahme in Nuuk).

Sollte Tourismusministerin Motzfeldt und Umweltminister Lund gleichzeitig ihre Ankündigung bezüglich der Schliessung verschiedener Fjorde und Gebiete wahr machen, dürfte es für die Branche noch schwieriger werden. Bereits jetzt sieht sie sich nämlich mit immer strengeren Regulierungen in Svalbard durch die Behörden konfrontiert. Gepaart mit der Schliessung der russischen Arktis, die noch sehr lange dauern wird, und der Tatsache, dass die nordamerikanische Arktis ökonomisch weit weg liegt und mit strengen Umweltauflagen versehen ist, könnte es eng werden und zwar noch enger als im Alpefjord.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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