Antarktisches Eis zeigt Schwermetallbelastung bis ins Mittelalter | Polarjournal
Einer der Eisbohrkerne, die im Rahmen einer Norwegisch – US-Amerikanischen Expedition in der Ostantarktis entnommen und auf verschiedene giftige und ungiftige Schwermetalle untersucht worden ist. Die Bleibelastung im Eis reichte dabei bis ins 13. Jahrhundert zurück. Bild: Stein Tronstadt, Norwegian Polar Institute (mit freundlicher Genehmigung des DRI)

Der beliebte Ausspruch «Früher war alles besser» dürfte sich zumindest in Sachen Umweltverschmutzung nicht bewahrheiten. Denn zahlreiche Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen schon seit der Frühzeit ihre Umwelt stark belastet hatten. Eine neue Studie zeigt nun, dass die Verbreitung von giftigen Schwermetallen bereits im Mittelalter globale Dimensionen angenommen hatte und bis ins Herz von Antarktika reichte.

Rund 2’000 Jahre zurück in die Vergangenheit blickten Studienleiter Dr. Jospeh McConnell vom Desert Research Institute in Nevada (USA) und sein internationales Team von Kolleginnen und Kollegen aus Österreich, Deutschland, Norwegen und den USA, als sie fünf Eisbohrkerne aus der Ostantarktis untersuchten. Dabei konzentrierte sich das Team erstmalig auf fünf giftige und ungiftige Schwermetalle (Blei, Kadmium, Thallium, Bismuth, Cer und Schwefel), die über die Luft rund um den ganzen Globus transportiert werden. Das Ziel war es, herauszufinden, ob die globale Verschmutzung durch Schwermetalle ein Produkt der Moderne ist oder schon früher stattgefunden hatte.

Die Ergebnisse zeigen sehr deutlich den Verlauf der industriellen Geschichte der Menschheit rund um Antarktika. Das Team fand signifikante Bleiablagerungen bereits aus dem 13. Jahrhundert und die Ablagerung der restlichen untersuchten Schwermetalle (ausser Thallium) in steigendem Ausmass im zeitlichen Verlauf bis ins 20. Jahrhundert.

McConnell und sein Team fanden die Ablagerungen der verschiedenen Schwermetalle in Eisbohrkernen, die im Rahmen einer norwegisch-US-amerikanischen Durchquerung der Ostantarktis an verschiedenen Stellen entnommen worden waren. Dabei wurde nach Angaben des Teams keine Flüssigkeiten verwendet, die eine Verunreinigung der Proben hätte verursachen können. Die Bohrkerne wurden danach per Flugzeug weitertransportiert und eingelagert.

Am Ende wurden als längsverlaufende Dünnschnitte im Desert Research Institute in Reno, Nevada (USA) analysiert. „Wir sind wohl die einzige Forschungsgruppe weltweit, die routinemässig diese Art von sehr detaillierten Messungen durchführt, insbesondere im antarktischen Eis, wo die Konzentrationen dieser Schwermetalle extrem niedrig sind“, erklärt DRI-Assistenzprofessor und Mitautor der Studie Dr. Nathan Chellman.

Das Team war ebenfalls in der Lage, die Schwermetallisotope, die aus der Erdkruste und durch vulkanische Aktivitäten auch im antarktischen Eis landen von den durch menschliche Aktivitäten ausgestossenen Schwermetallen zu trennen. Dabei nutzten sie die Thalliumkonzentrationen, die sich auch im Verlauf der Industrialisierung im Eis nicht geändert hatten und nur durch Vulkanismus erklärt werden konnten.

Der grösste Anstieg der Schwermetallbelastungen kam mit den Bergbau-Aktivitäten in Australien und der Industrialisierung (grün). Dabei wurde Antarktika von zwei Seiten mit Schwermetallen belastet, wie grafische Zusammenfassung zeigt. (Grafik: McConnell et al (2024).

Die Resultate des Forschungsteams zeigen einen klaren Verlauf an Schwermetallablagerungen, der mit dem Verlauf der Bergbaugeschichte erst in Südamerika und ab Ende des 19. Jahrhunderts auch mit Australien korreliert. Das Team fand von den sechs untersuchten Schwermetallen fünf in den Eisbohrkernen (Blei, Kadmium, Bismuth, Cer und Schwefel), zu Beginn noch in kleinen Mengen. Trotzdem: «Der Nachweis, dass frühe Andenkulturen vor 800 Jahren und später der spanische Kolonialbergbau und die Metallurgie in der 9’000 km entfernten Antarktis eine nachweisbare Bleiverschmutzung verursacht haben, ist ziemlich überraschend», mein Dr. McConnell. Einen stärkeren Anstieg mit höheren Konzentrationen fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im späteren Verlauf der Geschichte, als die Bergbauaktivitäten ab dem späten 19. Jahrhundert intensiviert wurden. «Wir stellten fest, dass die Blei-, Bismut- und Cadmiumwerte nach der Industrialisierung um eine Grössenordnung oder mehr anstiegen», fügt McConnell an.

Dabei gelang es ihnen, ein relativ genaues Abbild der Menschheitsgeschichte zu erstellen und auch verschiedene globale Ereignisse und deren Einfluss auf die Schwermetalltransporte nach Antarktika nachzuvollziehen. Ereignisse wie die Pestausbrüche, die beiden Weltkriege oder die grosse Depression führten zu signifikanten Rückgängen in den Ablagerungen. «Die Vorstellung, dass eine Epidemie in Bolivien im 16. Jahrhundert die Umweltverschmutzung in der Antarktis und in der gesamten südlichen Hemisphäre verändert hat, ist ziemlich erstaunlich», meint die promovierte DRI-Forscherin und Mitautorin der Studie, Dr. Sophia Wensman.

Insgesamt zeigen die Resultate der Forschungsgruppe einerseits, dass das Eis Antarktikas nicht nur ein wichtiges Klimaarchiv ist, sondern auch ein Abbild der Menschheitsgeschichte darstellt. Andererseits zeigen sie auch, dass unsere Aktivitäten nicht erst seit dem 20. Jahrhundert globale Auswirkungen hatten.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: McConnell et al (2024) Sci Tot Env 912 Hemispheric-scale heavy metal pollution from South American and Australian mining and metallurgy during the Common Era; https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2023.169431

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