Die hochpathogene Vogelgrippe hat die Antarktis erreicht: Bei zwei toten Raubmöwen, die in der Nähe der argentinischen Antarktisstation «Primavera» auf der Antarktischen Halbinsel gefunden wurden, ist das H5N1-Virus nachgewiesen worden. Die größte Sorge gilt nun den zahlreichen Pinguinkolonien auf dem Kontinent.
Es war leider nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Vögel das hochansteckende Virus in die Antarktis tragen. Am 24. Februar bestätigte ein spanisches Wissenschaftsteam erstmals das Vorhandensein von H5N1, so eine Pressemeldung des spanischen Ministeriums für Wissenschaft, Innovation und Hochschulen. Argentinische Wissenschaftler der «Primavera»-Station hatten die Proben von zwei verendeten, nicht genauer benannten Skuas der spanischen Antarktisstation «Gabriel de Castilla» auf Deception Island zur Analyse übergeben.
Das Scientific Committee on Antarctic Research (SCAR, Wissenschaftlicher Ausschuss für Antarktisforschung) meldet auf seiner Webseite weitere Verdachtsfälle bei Subantarktischen Raubmöwen (Stercorarius antarcticus), Südpolarskuas (Stercorarius maccormicki) und Dominikanermöwen (Larus dominicanus), die in der Hope Bay an der Antarktischen Halbinsel entdeckt wurden.
«Diese Entdeckung zeigt zum ersten Mal, dass das hochpathogene Vogelgrippevirus die Antarktis trotz der Entfernung und der natürlichen Barrieren, die sie von anderen Kontinenten trennen, erreicht hat», heißt es in der Meldung des Ministeriums.
Das H5N1-Virus breitet sich seit 2021 weltweit aus und hinterlässt Millionen toter Vögel; aber auch Säugetiere sind betroffen. Ende Oktober 2023 wurde es erstmals auf der subantarktischen Insel Südgeorgien nachgewiesen, wo ihm seitdem neben Raubmöwen, Riesensturmvögeln, Antarktisseeschwalben und Dominikanermöwen auch Seeelefanten und Pelzrobben in großer Zahl zum Opfer fallen. Die ersten bestätigten Fälle von Vogelgrippe bei Pinguinen meldete SCAR im Januar diesen Jahres von den Falklandinseln — dort starben zwei Eselspinguine an dem Virus. Ein Verdachtsfall bei einem toten Königspinguin, der ebenfalls im Januar auf Südgeorgien gefunden wurde, scheint sich hingegen nicht bestätigt zu haben.
Auch wenn Pinguine bislang offenbar kaum betroffen sind, ist die Sorge um die Kolonien in der Antarktis sehr groß und Experten befürchten eine katastrophale Sterblichkeit. Pinguine brüten in sehr dichten Kolonien, was es dem Virus erleichtert, sich schnell auszubreiten. «Sollte das Virus tatsächlich zu einem Massensterben in den Pinguinkolonien führen, könnte dies eine der größten ökologischen Katastrophen der Neuzeit bedeuten», schreibt ein britisches Forschungsteam in einer noch nicht durch Peer-Review geprüften Vorab-Veröffentlichung.
«Das Problem ist, wie lange es dauern wird, bis die Krankheit auf andere Arten wie Pinguine übergeht. Wir müssen das überwachen», sagte Antonio Alcamí, ein Forscher des Spanischen Nationalen Forschungsrats, der am Centro de Biología Molecular Severo Ochoa CSIC arbeitet, das sich auf der spanischen Antarktisbasis befindet und die Kadaver untersucht hat, gegenüber The Guardian. «Ich befürchte, dass es wahrscheinlich auf Pinguine übergehen wird. Die Skuas leben in unmittelbarer Nähe, so dass es viele Möglichkeiten für eine Übertragung gibt, aber wir werden sehen.»
Es bleibt zu hoffen, dass Kaiserpinguine nicht mit dem Virus in Kontakt kommen bevor ihre Brutsaison im April beginnt. Für Adéliepinguine, Zügelpinguine und Eselspinguine ist es hoffentlich ein Glück im Unglück, dass das Virus die Antarktis erst zum Ende der Brutsaison erreicht hat. Ihre Küken sind bereits flügge oder stehen kurz davor flügge zu werden. Wie auch ihre Eltern werden sie den Winter im Südlichen Ozean verbringen, wo sie deutlich weniger engen Kontakt zueinander und mit Raubmöwen haben und somit die Wahrscheinlichkeit der Ansteckung geringer ist.
Doch auch wenn die antarktischen Pinguine in diesem Jahr verschont bleiben sollten, bedeutet dies wohl nur einen Aufschub.
Julia Hager, PolarJournal