Ausbreitung invasiver Arten wo Gletscher sich zurückziehen | Polarjournal
Bestandsaufnahme oberhalb der ehemaligen Walfangstation Grytviken. Foto: Dr. Pierre Tichit, CC-BY

Auf Südgeorgien werden die neu als Lebensraum verfügbaren Flächen vor den abschmelzenden Gletschern besonders gut von invasiven Pflanzen und wirbellosen Tieren angenommen und besiedelt — für die heimische Flora und Fauna bedeutet dies wahrscheinlich nichts Gutes.

Der Klimawandel und der Verlust der Biodiversität sind eng miteinander verknüpft, was weltweit beispielsweise durch die Ausbreitung invasiver Arten aufgrund der Erwärmung deutlich wird. Auch auf der subantarktischen Insel Südgeorgien sind invasive Arten seit langem ein Problem. Während einige mittlerweile ausgerottet werden konnten, etablieren sich andere zunehmend. Viele von ihnen wurden von Wal- und Robbenfängern im 19. und 20. Jahrhundert eingeschleppt. Mit der Erwärmung werden die Bedingungen für diese Arten offenbar immer vorteilhafter — einerseits durch ein günstigeres Klima und andererseits durch mehr verfügbaren Lebensraum aufgrund schwindender Gletscher.

Ein Forschungsteam aus Großbritannien und von den Falklandinseln dokumentierte im April 2022 und im Januar/Februar 2023 detailliert die Flora und wirbellose Fauna, die das Vorland der Gletscher in verschiedenen Stadien nach deren Rückzug besiedeln.

Das Team untersuchte das Vorland von sechs Gletschern an der Nordküste von Südgeorgien: In der Nähe von drei Gezeitengletschern (lila) und bei drei Kargletschern im Inland (blau). Karte: Tichit et al. 2024

In der Studie, die am 28. März 2024 in der Fachzeitschrift NeoBiota veröffentlicht wurde, berichtet das Team von Pflanzengemeinschaften in der Nähe von sechs Gletschern, die überwiegend aus heimischen Arten bestehen: 18 Arten bei den Gezeitengletschern und sieben Arten in rund 400 Meter Höhe bei den Inland-Kargletschern. Doch insbesondere zwei der vier beobachteten invasiven Arten — Quellen-Hornkraut (Cerastium fontanum) nahe der Gezeitengletscher und Einjähriges Rispengras (Poa annua) nahe der Kargletscher — kommen beinahe ebenso häufig vor wie das am häufigsten bei beiden Gletschertypen gefundene heimische Alpen-Lieschgras (Phleum alpinum). Zu den invasiven Pflanzenarten gehört auch der Gewöhnliche Löwenzahn (Taraxacum officinale), den das Team jedoch nur selten beobachtete.

Das Einjährige Rispengras besiedelt die frei gewordene Fläche nur wenige Jahre nach dem Verschwinden des Eises. Foto: Dr. Pierre Tichit, CC-BY

Unter den wirbellosen Tieren dominierten ebenfalls die heimischen Arten, wobei die Forschenden in der Nähe der Kargletscher nur fünf heimische und keine invasive Arten entdeckten. Nahe der Gezeitengletscher hingegen fanden sie 16 heimische Arten und fünf invasive, von denen eine Laufkäferart (Merizodus soledadinus) die häufigste war.

Der Laufkäfer Merizodus soledadinus ist die häufigste invasive wirbellose Art auf dem Vorland der Gezeitengletscher. Video: Dr. Pierre Tichit, CC-BY

Generell stellte das Team fest, dass sich die ersten Pionierarten nur wenige Jahre nach dem Rückzug des Eises ansiedeln, die sich mit der Zeit immer mehr ausbreiten bevor die Anzahl der Arten steigt. Unter den invasiven Pflanzen identifizierten die Forschenden vor allem die beiden häufigen Arten Quellen-Hornkraut und Einjähriges Rispengras als Pioniere, die beide von der Nordhalbkugel stammen. Bei den invasiven Wirbellosen sind Laufkäfer und Springschwänze unter den ersten auf den neuen Flächen.

Die invasiven Arten scheinen der Studie zufolge derzeit noch keine zu starke Konkurrenz für die heimischen Arten darzustellen. Das Autorenteam argumentiert jedoch, dass sich die Situation mit fortschreitender Erwärmung ändern kann, zum Vorteil der eingeführten Pflanzen. Welche negativen Auswirkungen die Ausbreitung der invasiven Arten auf die heimischen Arten und das einzigartige Ökosystem hat, muss in zukünftigen Studien noch untersucht werden.

Julia Hager, PolarJournal

Link zur Studie: Pierre Tichit, Paul Brickle, Rosemary J. Newton, Peter Convey, Wayne Dawson. Introduced species infiltrate recent stages of succession after glacial retreat on sub-Antarctic South Georgia. NeoBiota, 2024; 92: 85 DOI: 10.3897/neobiota.92.117226

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