China setzt Pläne für Bau von drittem polar-tauglichem Schiff um | Polarjournal
Das erste in China komplett gebaute eisbrechende Forschungsschiff Xue Long 2 («Schneedrache 2», rechts) wurde 2019 in Dienst gestellt, sein Vorgänger (links) bereits 1993. Beide führen Versorgungs- und Forschungsarbeiten in der Arktis und Antarktis durch. Der neue Eisbrecher soll noch tiefer ins Eis vordringen und Tiefseeforschung betreiben. Bild: CHINARE

KORREKTUR: Beim neuen Schiff handelt es sich nicht um einen Eisbrecher, sondern um ein eisgängiges Multifunktions-Schiff. Der Ausdruck „Eisbrecher“, der hier im Artikel ursprünglich verwendet worden ist, kann in diesem Fall nicht angewendet werden und wurde entsprechend durch „polar-tauglich“ und „eisgängig“ ersetzt.
Ebenfalls nicht korrekt sind die Angaben zur Stärke des Schiffes im Vergleich zur im Einsatz befindlichen „Xue Long 2“. Nach Angaben der finnischen Designfirma Aker Arctic, die für das Design der Xue Long 2 verantwortlich ist, besitzt das Schiff die offizielle Klassifizierung „Polar Class 3“ und ist damit fähig, „Ganzjährige Einsätze in 2-jährigem Eis, das auch mehrjährige Eiseinschlüsse enthalten kann“ durchzuführen und soll in bis zu 1.5 Meter dickem Eis operieren können. Die von GSI für das neue Schiff angegebene „Polar Class 4“ erlaubt dagegen nur den ganzjährigen Einsatz in bis zu 12 cm dickem einjährigem Eis.
Für allfällige Verwirrungen bitten wir um Entschuldigung.

China, das einstige «Reich der Mitte», bewegt sich immer stärker in Richtung globale Randgebiete der Arktis und Antarktis. Spätestens seit dem Bau des ersten eigenen eisgängigen Forschungsschiffes Xue Long 2 und den neuen Antarktisstationen, dürften die Ambitionen klar sein. Nun hat die chinesische Regierung den seit längerem angekündigten Bau des zweiten eigenen polar-tauglichen Schiffes gestartet, das einige überraschende Werkzeuge mitbringen wird.

Gemäss chinesischen Medien wurde der Bau von der chinesischen Werft Guangzhou Shipyard International (GSI) Company Ltd begonnen. Diese hat bereits Erfahrung im Bau von polartauglichen Schiffen, da sie schon die Schwerlastträger Audax und Pugnax in Zusammenarbeit mit der finnischen Designerfirma Aker Arctic gebaut hatte. GSI ist eine Unterfirma der chinesischen Staatswerft China State Shipbuilding Corporation. Gemäss GSI soll der Bau bereits 2025 abgeschlossen und das Schiff einsatzbereit sein. Nach offiziellen Angaben will China das Schiff vor allem für wissenschaftliche Zwecke nutzen.

Die Aufgaben, die das neue Schiff übernehmen soll, sind weit gefasst, konzentrieren sich aber wohl stark auf den arktischen Ozean und dessen Tiefesseregionen. Doch auch im Südchinesischen Meer soll das Schiff arbeiten Bild: Timo Pälo, Wikicommons CC BY-SA 3.0

Um es Vorweg zu nehmen: Das neue Schiff ist KEIN Eisbrecher und auch nicht das grösste oder stärkste polar-taugliche Schiff in Chinas Flotte, sondern ein eisgängiges Multifunktions-Schiff, welches sowohl in polaren Gewässern, aber auch in wärmeren Regionen wie dem Südchinesischen Meer eingesetzt werden soll. Nach Angaben von GSI wird das 103 Meter lange Schiff die Klasse PC4 aufweisen, was ihm den Einsatz in dickem ein-jährigem Eis mit einer maximalen Dicke von 120 Zentimetern erlauben wird. Zum Vergleich: Die Xue Long 2, Chinas bisher stärkstes polar-taugliche Forschungsschiff ist mit der „Polar Class 3“ klassifiziert und kann in bis zu 1.5 Meter dickem Eis operieren. Weiter ist bekannt, dass der Eisbrecher eine Verdrängung von rund 9’200 Tonnen besitzen wird (Xue Long 2: 14’300 Tonnen), nicht nuklear betrieben wird und eine Maximalgeschwindigkeit von 16  Knoten (knapp 30 km/h) erreichen soll.

Die geplanten Aufgaben des neuen polar-tauglichen Schiffes sind sehr weitreichend, denn es soll einst bis zu 80 Menschen aufnehmen können, eine maximale Reichweite von 15’000 Seemeilen erreichen und autonom während Monaten auch in den Polarregionen operieren können. He Guangwei, der stellvertrende Chefingenieur beim GSI-Mutterkonzern China Shipbuilding International Co LTD erklärte gegenüber chinesischen Medien, dass das neue Schiff ein „selbstgebautes Polarschiff der höchsten Eisklasse“ sein werde und als erstes komplett in China entwickeltes und gebautes Schiff auch Tiefseeoperationen in Polargebieten, besonders in der Arktis durchführen kann. Dazu besitzt es einen «Moonpool» von 6×4.8 Metern, von wo aus die drei Tiefseetauchboote «Endeavor», «Deep Sea Warrior» und «Jialong» trotz Packeis in die Tiefe gelassen werden können, um «relevante wissenschaftliche Forschungstätigkeiten in der Polarregion zu betreiben, das polare Hinterland zu dokumentieren, Gewässer- und Unterwasserforschung zu betreiben sowie Atmosphärenforschung, Meeresbewohner- und geologische Studien zu betreiben.»

Das neue Multifunktionsschiff soll nicht nur die chinesische Forschung in den Polargebieten voranbringen, sondern auch die technische Entwicklung für polare Schiffe. Gemäss He Guangwei ist das Schiff komplett in China entwickelt worden und soll auch ausschliesslich mit chinesischem Material gebaut werden. «Kabel, Stahl, Stahlrohre und andere Materialien für den Schiffsrumpf werden durch einheimische Produkte ersetzt, und auch die Kontroll- und Erkennungsgeräte für die wissenschaftliche Forschung werden aus einheimischen Produkten hergestellt», erklärt er gegenüber chinesischen Medien. «Verglichen mit der Art und Weise, wie wir in der Vergangenheit ausländisches Design oder ausländisches Gemeinschaftsdesign verwendet haben, ist dieses Schiff ein völlig eigenständiges Produkt.»

Trotz dieser Aussage ähnelt das Schiff stark der russischen Drift-Plattform Severny Polyus im äusseren Aufbau, wie Bilder in den sozialen Medien zeigen. Interessanterweise aber machte der chinesische Fernsehsender CCTV13 Bilder am Arbeitsplatz eines GSI-Mitarbeiters oder Mitarbeiterin, die eher an den neuen im Bau befindlichen Eisbrecher Lider erinnern, so wie es China Shipbuilding International an einem Modell 2019 bereits vorgestellt hatte. In der Vergangenheit haben Russland und China ihre gemeinsamen Absichten in der Arktis mehrfach bekräftigt, besonders bei der wirtschaftlichen Nutzung. Die Tatsache, dass die Kontinentalschelf-Kommission der UNO den Ansprüchen Russlands auf den grössten Teil des arktischen Ozeans zustimmte, liess Befürchtungen aufkommen, dass Moskau nun rasch mit dem Abbau von weiteren Ressourcen vom arktischen Meeresboden beginnen könnte. Das Design und die Nutzungspläne Chinas für das neue polar-taugliche Schiff liefern bereits Spekulationen, dass China auch in diesem Bereich Interesse haben könnte.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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