One Planet – Polar Summit, ein Aufruf zum Handeln | Polarjournal
Der Gipfel des Mont Ross, eines französischen Gletschers auf der südlichen Hemisphäre, genauer auf dem Kerguelen-Archipel. Bild: JF Cousin / Wikimedia Commons

Nächste Woche wird in Paris eine Koalition von Ländern zusammentreffen, die sich mit dem Verschwinden der Kryosphäre und ihren Auswirkungen auf die menschliche Gesellschaft befasst. Auf diesem Forum werden Wissenschaftler aus der ganzen Welt den politischen Entscheidungsträgern den aktuellsten Wissensstand über den Zustand der Kryosphäre schildern. Die Hauptorganisatoren – Olivier Poivre d’Arvor, Jérôme Chappellaz und Antje Boetius – haben den festen Willen, diese „kalte Krise“ auf die internationale politische Agenda zu setzen.

Vom 8. bis 10. November soll der One Planet – Polar Summit – initiiert von Olivier Poivre d’Arvor, dem französischen Polarbotschafter und unterstützt von Präsident Emmanuel Macron – den Kreis der Länder erweitern, die die „Ambition on Melting Ice“ unterzeichnet haben, eine Koalition von 20 Ländern, die vom Zustand der Kryosphäre betroffen sind und letztes Jahr anlässlich der COP 27 in Sharm el-Sheikh gebildet wurde.

„Wir hoffen, dass sich 40 Länder und internationale Organisationen uns am 10. November in Paris anschließen werden“, rief der französische Polarbotschafter am 21. Oktober in Island aus. Er hofft besonders, die Aufmerksamkeit von China und den USA auf sich ziehen zu können. Der One Planet – Polar Summit wird außerdem in einen „Pariser Appell zu den Polen und Gletschern“ münden, der auf der COP 28 in Dubai seine Fortsetzung finden wird.

Um sich das offene Ohr der internationalen Gemeinschaft zu sichern, muss der Gipfel eine Botschaft von hohem wissenschaftlichem Wert aufbauen. „Wir werden uns auf das beste Wissen stützen, das uns heute zur Verfügung steht, um einen Bericht über die Kryosphäre im weitesten Sinne zu erstellen“, erklärt Jérôme Chappellaz, ehemaliger Leiter des französischen Polarinstituts und Glaziologe an der ETH Lausanne und bekannt für seine wissenschaftliche Erforschung der Polarregionen.

Dieses Dokument wird die neuesten Berichte des IPCC und der International Cryosphere and Climate Initiative ergänzen. „Wir werden den Fokus auf die Kipppunkte legen, bei denen die Unsicherheiten noch groß sind“, verrät Jérôme Chappelaz. Der Bericht soll alle zwei bis drei Jahre aktualisiert werden.

Die Kipppunkte, d. h. die Schwellenwerte, bei deren Überschreiten die einzelnen Komponenten der Kryosphäre zum Verschwinden verurteilt sind, hängen von den Treibhausgasen ab, die in die Atmosphäre entlassen und nicht im Ozean oder in der Biomasse gespeichert werden. Sie werden wiederum von den gefrorenen Böden beeinflusst, die sich erwärmen und CO2 und Methan freisetzen. Diese Mengen werden noch immer nicht richtig eingeschätzt. „Das wird zum großen Teil davon abhängen, was sich die menschlichen Gesellschaften in Zukunft an Emissionen leisten dürfen“, konstatiert Jérôme Chappellaz.

Auf dem Gipfel werden die wissenschaftlichen Fragen identifiziert, die dringend beantwortet werden müssen. „Physik, Biologie … aber auch Geisteswissenschaften: Wir müssen die Wirtschaft, die rund um die Kryosphäre angesiedelt ist, ebenfalls einbeziehen. Die Auswirkungen des Permafrostverlustes auf die Infrastruktur sind ein gutes Beispiel, ebenso wie der Verlust der Wasserressourcen rund um das tibetische Plateau und um China im Frühling wie im Sommer“, stellt der Forscher fest.

Während des Forums „wird die Einführung in die Themen von vier oder fünf ausgewählten Personen geleitet“, erklärt Chappellaz. „Danach wird die Diskussion für das wissenschaftliche Publikum im Saal geöffnet, um Ergänzungen anzufügen.“

„Es ist an der Zeit, alle Komponenten der Kryosphäre, die mit den Menschen interagieren, zusammenzubringen, es wird Gruppensitzungen zu den Themen Gletscher, Wasserkreislauf, Meeresspiegel, Permafrost und geologische Risiken, Ozean, Packeis und Leben geben“, erklärte Antje Boetius, Direktorin des AWI für Polar- und Meeresforschung.

„Wir müssen den Staatschefs am 10. November ein verbindliches Dokument vorlegen, das eine Liste von Maßnahmen zur Erfüllung der Herausforderungen enthält, in deren Mittelpunkt die Reduzierung der Treibhausgasemissionen stehen wird,“ fügt Jérôme Chappellaz hinzu.

Etwa eine Milliarde Menschen werden im Jahr 2100 direkt vom Süßwassermangel und eine weitere Milliarde vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen sein. „Der Gipfel wird die erste politische Koalition zu den Polen und Gletschern bilden und ein besonderes Licht auf den Anstieg des Meeresspiegels werfen“, ergänzt der Polarbotschafter

Die Länder, die sich dem Aufruf anschließen, werden zur Unterstützung der Einrichtung einer „Dekade der Eis- und Polarwissenschaften“ im Juni 2025 in Nizza beitragen, einen Tag vor der Eröffnung der UNO-Ozeankonferenz. Gleichzeitig wird die Koalition der Städte, Inseln, Regionen und Inselstaaten (Sea’ties) zusammentreten.

In Paris wird dies die Gelegenheit für Frankreich sein, seine Polarstrategie zu stärken. „Es ist ein Hebel, um die Finanzierung der französischen Wissenschaft an den Polen und in den Bergen wieder auf Vordermann zu bringen“, ergänzt Jérôme Chappellaz.

In den Ankündigungen des französischen Präsidenten wird von neuen Mitteln die Rede sein, die zusätzlich zu den Finanzierungen für die Projekte Tara und Polar Pod in Höhe von 11 Millionen bzw. 20 Millionen bereitgestellt werden. „Der Wiederaufbau der Antarktisstation Dumont d’Urville ist geplant, mit einer neuen Einheit etwa 100 Meter von der aktuellen Station entfernt“, erklärt der Botschafter. „Und nicht zu vergessen die Mittel auf See“. Vielleicht auch ein Budget für neue wissenschaftliche Programme.

Französischer Antarktisstützpunkt Dumont Durville, in Terre-Adelie, Pointe Géologie Archipel, Petrusinsel. Normalerweise sind die Inseln des Archipels im Sommer durch offenes Wasser voneinander getrennt, doch in den letzten Jahren sind Anomalien aufgetreten. Bild: Thibaut Vergoz / Französisches Polarinstitut

Der Gipfel wird die Bedeutung der Geisteswissenschaften für die Bewältigung des Dilemmas zwischen Nutzung und Schutz betonen, dem sich lokale Entwicklungsgemeinschaften und die internationale Gemeinschaft zunehmend gegenübersehen werden, z. B. in Grönland oder im Arktischen Ozean, wenn sich die Gletscher und das Eis zurückziehen.

Der französische Staat sollte bis Anfang nächsten Jahres seine Ministerien auffordern, die Polarstrategie umzusetzen. „Der One Planet – Polar Summit ist eine Flaschenpost, die ins Meer geworfen wurde. Ideal wäre es, wenn nicht wir den nächsten organisieren würden, sondern ein anderes Land“, hofft der Botschafter.

Camille Lin, PolarJournal

Link zur Website von One Planet – Polar Summit

Link zur Website von Ambition on Melting Ice

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